Kinderrechts-Anwalt zum Drama von Flaach ZH
«Viele Grosseltern kümmern sich um ihre Enkel»

Alessia (†2) und Nicolas (†5) kamen ins Heim statt zu ihren Grosseltern. Dabei ist das oft die beste Lösung. Es kann aber auch zu Problemen kommen, sagt ein Experte.
Publiziert: 06.01.2015 um 09:49 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2018 um 10:00 Uhr
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Björn und Christine K. Die Grosseltern von Alessia (†2) und Nicolas (†5) hätten gerne ihre Enkel bei sich aufgenommen, aber sie durften nicht.
Foto: Philippe Rossier

Am 4. November werden Natalie K. (27) und ihr Mann Mike (28) in ihrem Haus in Flaach ZH wegen Vermögensdelikten verhaftet. Ihre Kinder Alessia (2) und Nicolas (5) kommen in ein Heim. Über die Festtage können sie zu ihrer Mutter. Am Neujahrstag tötet Natalie K. ihre zwei Kinder (Blick.ch berichtete).

Björn und Christine K. sind die Eltern von Natalie K. Sie wollten ihre Enkel Nicolas (†5) und Alessia (†2) bei sich aufnehmen. Doch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Winterthur-Andelfingen ignorierte ihren Herzenswunsch.

Das sorgt für Unverständnis. Viele können nicht verstehen, dass die Kesb Kinder aus ihrem Umfeld gerissen hat, statt sie den liebenden Grosseltern anzuvertrauen.

Viele fragen sich: Wieso konnten Alessia und Nicolas nicht einfach zu ihren Grosseltern?

Die Kesb will aus Gründen des Persönlichkeitsschutz nicht zu dieser Frage Stellung nehmen. Blick.ch fragte deshalb bei Jonas Schweighauser nach. Der Anwalt ist auf Kindesrecht spezialisiert und vertritt auch Minderjährige bei Sorgerechtsstreitigkeiten.

Zum Fall Flaach will sich Schweighauser nicht konkret äussern. Er sagt aber: «Meine Erfahrung ist, dass bei einer Fremdplatzierung meist abgeklärt wird, ob jemand im familiären Umfeld in Frage kommt. Nicht zuletzt auch, weil das am günstigsten ist. Es gibt viele Fälle, wo sich Grosseltern um ihre Enkel kümmern.»

Grosseltern stehen zwischen Behörden und den Eltern

Es könne allerdings auch Probleme geben – vor allem wegen der fehlenden Distanz. «Grosseltern stehen zwischen ihren Kindern und den Behörden. Auf der einen Seite erhalten sie Auflagen von den Behörden, an die sie sich halten müssen. Auf der anderen Seite sind ihre Kinder, die vielleicht versuchen sie weichzuklopfen», sagt Schweighauser.

Gibt es zum Beispiel die Auflage, dass die Mutter die Kinder nur am Wochenende sehen dürfe, brauche es von Seiten der Grosseltern viel Disziplin. «Es ist nicht einfach seiner Tochter zu sagen: Du darfst deine Kinder jetzt nicht haben.» Bei Drittparteien wie Pflegefamilien sei dies einfacher.

Deshalb würden die Behörden erst Abklärungen treffen, bevor die Kinder zu den Grosseltern kommen. «Denn funktioniert es nicht, werden die Kinder wieder umplatziert und das ist nicht im Sinne des Kinder», sagt Schweighauser.

Mehr Rechte für Grosseltern?

Mehr Rechte für die Grosseltern fordert dagegen die Genfer Anwältin Anne Reiser. «Wir müssen unbedingt das Zivilrecht und das Zivilprozessrecht anpassen», sagt Reiser zu Blick.ch. Grosseltern müssten bei solchen Platzierungsentscheiden einbezogen werden.

In Genf könnten Grosseltern theoretisch bei solchen Entscheiden der Kesb intervenieren. «Das ist aber von Richter zu Richter und von Kanton zu Kanton verschieden», sagt Reiser.

Grundsätzlich ist Schweighauser auch dafür, dass Grosseltern mehr Rechte erhalten. Doch der Vorschlag aus Genf könnte neue Probleme bergen: «Viele Eltern möchten auch nicht, dass die Grosseltern bei der Umplatzierung mitreden können.»  (sas)

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