Junge Schreiner trotzen dem Trend
Büezer arbeiten mitten im Bankenviertel

An Zürichs teuerster Lage starten jetzt zwei Handwerker durch. Wie soll das gehen?
Publiziert: 02.11.2019 um 23:28 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2019 um 09:49 Uhr
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Mit ihrer eigenen Werkstatt wollen zwei junge Schreiner Mitten in Zürich durchstarten.
Foto: Thomas Meier
Tobias Marti

Es gibt Gegenden hierzulande, da kann man leichter ein Diamantcollier, ein Cocktailkleid oder eine Rolex einkaufen als Brot und Milch oder jemanden finden, der einen Stuhl flickt. Die Gegend rund um Zürichs Bahnhofstrasse und den Paradeplatz ist so eine.

Ausgerechnet dort, im weltexklusiven Kreis 1, fliegen nun wieder die Späne, wird gehobelt, gefräst, gesägt und gefeilt wie anno dazumal.

Die Zünfte zeugen noch heute davon, wie wichtig das Handwerk für die Limmatstadt einmal war. Doch die Mieten eines überkochenden Immobilienmarkts haben die meisten Büezer längst vertrieben.

Ein Zürcher und ein Bündner

Valentin Dora (31) und Benjamin Dieterle (27) trotzen dem Trend und hauchen Zürichs Handwerk neues Leben ein. Die beiden Kumpels, ein Zürcher und ein Bündner, die zu Geschäftspartnern wurden, eröffneten dieser Tage ihre gleichnamige Schreinerei an der Schipfe 33.

Was sie daran reizt? «Die Freiheit, das zu machen, was wir gerne mögen. Nicht nur einen Auftrag abliefern, sondern alles selber entscheiden können.»

Den jungen Schreinern ist bewusst, dass sie keine Chance hätten, wenn sie an dieser Lage die marktübliche Miete zahlen müssten. Doch sie wissen mächtige Verbündete an ihrer Seite: Zürichs Bürger. Vor rund zehn Jahren stimmten diese für «bezahlbare Gewerberäume» in ihrer Stadt. Eine Folge sind faire Mieten wie jene, die Dora und Dieterle der Stadt zahlen: etwas weniger als 2000 Franken im Monat. Inventar und Maschinen konnten sie gebraucht erwerben. All das kriegen sie alleine hin, ohne die Banken der Bankenstadt.

Ist die Leiter unten, ist jedermann willkommen

Auch ihr Werkmaterial, das Holz, tragen sie im Wortsinne selber – zu Fuss vom Lager in die Werkstatt. Das historische Gebäude, in dem sie arbeiten, misst an der schmalsten Stelle knapp zwei Meter und ist eine Touristenattraktion. Kaum einer, der, ohne ein Bild zu knipsen, daran vorbeigehen kann. «Ist die Leiter beim Eingang unten, ist jeder willkommen», erklärt Dieterle die Regeln. Wenn sie dagegen oben ist, ergänzt Dora, werde produziert. Dann muss jeder Schwatz vertagt werden, sogar der mit den Nachbarn.

In der Schipfe kennt und unterstützt man sich. Das Hotel Widder etwa erteilte bereits einen ersten Auftrag: Beizentische abschleifen.
Nebst klassischen Arbeiten wollen die beiden auch neue Wege gehen. So können Kunden ihr Möbel zusammen mit den Profis schreinern. Ein sehr mo­derner Ansatz, historische Mauern hin oder her.

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