Nachbarschaftsstreit eskaliert in wilde Schlägerei
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Wegen Brennnesseln:Nachbarschaftsstreit eskaliert in wilde Schlägerei

Irrer Nachbarschaftsstreit wegen Brennnesseln in Gibswil ZH
Eduard B. (69) bewusstlos geprügelt

Dieser Nachbarschaftsstreit ist eskaliert. Am Mittwoch treffen sich zwei Rentner aus dem Kanton Zürich vor Gericht. Der Streit um einen abgeschnittenen Strauch führte zu einer wilden Schlägerei – Polizei und Ambulanz mussten ausrücken.
Publiziert: 11.11.2019 um 23:00 Uhr
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Eduard B. (69), pensionierter Kaminfeger, wurde vom Nachbarn mit einem Holzstock angegriffen – und schlug zurück.
Foto: Michael Sahli
Michael Sahli

Hier verläuft die Frontlinie am Gartenzaun! Am Mittwoch müssen sich zwei Rentner (69 und 66) aus Gibswil ZH vor dem Richter verantworten, weil ihr Nachbarschaftszoff eskalierte und in einer Schlägerei endete. Am Schluss mussten Ambulanz und Polizei ausrücken. Beide Prügelpensionäre landeten in ärztlicher Obhut. Und haben nun beide eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals. Auslöser für die durchgebrannten Sicherungen: ein Strauch Brennnesseln!

Eduard B. (69), pensionierter Kaminfeger, ärgert sich schon länger über Nachbars Garten. «Das ist ein Saustall, die Brennnesseln versamen überall», erklärt er gegenüber BLICK. Letzten Herbst hatte B. dann genug: Er greift zur Heckenschere und stutzt Nachbars Unkraut über den Zaun hinweg. «Der Brennnesselstrauch war über einen Meter hoch», so seine Erklärung.

Nachbar prügelt mit Holzknüppel drauflos

Nur: Nachbar Rolf F. (66), pensionierter Heizungszeichner und Hobbymaler, bemerkt das durchs Fenster sofort. «Es war auch nicht das erste Mal, dass er mir die Büsche zerschnitt», erklärt F. noch immer wütend. «Dazu schaufelt der Typ im Winter auch immer Schnee auf meine Seite.»

Laut Anklageschrift greift der 66-jährige Brennnesselstrauch-Besitzer zu einem «circa 56 cm langen Holzknüppel» und folgt seinem Kontrahenten. Der sammelt mittlerweile auf dem Vorplatz Haselnüsse auf, bemerkt den Verfolger nicht.

Weiter heisst es in der Anklageschrift, F. habe rot gesehen: «Er schlug Eduard B. derart auf den Hinterkopf, dass dieser das Bewusstsein verlor.» Als B. wieder zu sich kommt, setzt es gleich noch einmal Prügel.

Aber der pensionierte Kaminfeger Eduard B. bekommt den Holzknüppel irgendwie zu fassen. Und schlägt diesen seinem Nachbarn, der inzwischen auf ihm sitzt, an den Kopf. Der erleidet eine Quetschwunde an der Stirn. «Das war doch pure Notwehr», findet Eduard B.

Büsche werden nun mit Kameras überwacht

Angreifer Rolf F. gibt an, sich nicht mehr an den Vorfall erinnern zu können. «Ich glaube aber schon, dass es sich wohl so abgespielt hat und ich verurteilt werde», sagt er in der Stube seines Hauses.

Aber warum ist der Rentner so ausgetickt, dass er zum Holzprügel griff? Seine Begründung: «Ich habe in der Nacht schlecht geschlafen, wegen des Streits mit einem anderen Nachbarn.»

Der gewaltsame Rentnerstreit hat sich mittlerweile etwas gelegt. «Ich habe aber Kameras installiert, falls er mir wieder einen Strauch abschneidet», erklärt der Nachbar mit den Brennnesseln. Sein Kontrahent meint: «Ich ignoriere ihn. Wir kennen uns nicht mehr.»

* Namen bekannt

Zoff zwischen Nachbarn häuft sich

Monika Sommer (54) ist stellvertretende Direktorin des Hauseigentümerverbandes (HEV) und Expertin im Bereich Nachbarrecht. Sie sagt: «Ich merke bei meiner täglichen Arbeit, dass die Leute dichter zusammenleben.» Das Resultat: Der Dichtestress führt vor allem in urbanen Räumen zu immer mehr Zoff – und immer mehr Anfragen beim HEV. «Die Anfragen wegen Lärm, Rauch und anderen Emissionen haben sicher um bis zu 20 Prozent zugenommen», so die Expertin.

Ein weiterer Faktor: «Es ist eine gesellschaftliche Entwicklung, dass viele Leute weniger tolerant sind. Und die Hemmschwelle, sich einen Anwalt zu nehmen, ist gesunken», stellt Sommer fest.

Im Streitfall empfiehlt sie: «Zunächst mit dem Nachbarn das Gespräch suchen, wenn das möglich ist.» Nützt es nichts, sei der Zeitpunkt gekommen, sich rechtlichen Rat zu holen. «Dann kann man sich an einen Friedensrichter wenden.»

Dass der Streit am Gartenzaun in Gewalt eskaliert, komme «extrem selten» vor. Wenn sich die Eskalationsspirale schon so weit gedreht habe, bleibe wohl nur noch ein Wegzug.

Monika Sommer (54) ist stellvertretende Direktorin des Hauseigentümerverbandes (HEV) und Expertin im Bereich Nachbarrecht. Sie sagt: «Ich merke bei meiner täglichen Arbeit, dass die Leute dichter zusammenleben.» Das Resultat: Der Dichtestress führt vor allem in urbanen Räumen zu immer mehr Zoff – und immer mehr Anfragen beim HEV. «Die Anfragen wegen Lärm, Rauch und anderen Emissionen haben sicher um bis zu 20 Prozent zugenommen», so die Expertin.

Ein weiterer Faktor: «Es ist eine gesellschaftliche Entwicklung, dass viele Leute weniger tolerant sind. Und die Hemmschwelle, sich einen Anwalt zu nehmen, ist gesunken», stellt Sommer fest.

Im Streitfall empfiehlt sie: «Zunächst mit dem Nachbarn das Gespräch suchen, wenn das möglich ist.» Nützt es nichts, sei der Zeitpunkt gekommen, sich rechtlichen Rat zu holen. «Dann kann man sich an einen Friedensrichter wenden.»

Dass der Streit am Gartenzaun in Gewalt eskaliert, komme «extrem selten» vor. Wenn sich die Eskalationsspirale schon so weit gedreht habe, bleibe wohl nur noch ein Wegzug.

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