«Interessenkonflikt» am Universitätsspital Zürich
Die heikle Doppelrolle eines geschäftstüchtigen Hautarztes

Ein leitender Arzt des Unispitals Zürich (USZ) ist Mitinhaber einer Telemedizinfirma. Und profitiert davon, dass diese dem USZ eine Dienstleistung verkauft. Brisant: Die Pharmaindustrie sponsert die Firma. Der Gesundheitsökonom Heinz Locher kritisiert das.
Publiziert: 14:31 Uhr
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Aktualisiert: 14:33 Uhr
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Die Dermatologische Klinik des Universitätsspital Zürich (USZ) bietet einen Online-Hautcheck an.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Das Universitätsspital Zürich bietet einen Online-Hautcheck an und arbeitet dafür mit einer Firma zusammen
  • Von dieser Zusammenarbeit profitiert einer seiner Oberärzte, der gleichzeitig Mitinhaber der Firma ist
  • Brisant dabei: Die Firma erhielt vergangenes Jahr 274’684 Franken von der Pharmabranche
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rebecca WyssRedaktorin SonntagsBlick

Schuppige Haut, eine Wucherung, die grösser wird oder ein Muttermal, das sich verändert – was ist das wohl? Man möchte Gewissheit, will aber nicht sofort zum Arzt. Die Dermatologische Klinik des Universitätsspitals Zürich (USZ) verspricht Abhilfe: Auf ihrer Website bietet sie einen telemedizinischen Online-Hautcheck an. Klickt man auf den Button, kann man ein Foto von der betroffenen Hautstelle hochladen und erhält eine Diagnose «von unseren Experten und Expertinnen». Das klingt unkompliziert und hilfreich. Doch verbirgt sich mehr dahinter.

Die Webseite, zu der der Button führt, ist jene der Firma Derma2go. Bei dieser ist ausgerechnet ein leitender Oberarzt der Dermatologischen Klinik Mitinhaber. Christian Greis profitiert also als Verwaltungsratspräsident mit seiner Privatfirma vom Auftrag des Unispitals, bei dem er gleichzeitig in leitender Position angestellt ist. Brisant: Die Firma erhält sehr viel Geld aus der Pharmaindustrie.

Das zeigt die Plattform Pharmagelder.ch, das Rechercheprojekt von Ringier Medien Schweiz, dem Blick angehört. Allein im Jahr 2024 schütteten die Pharmafirmen 262 Millionen Franken an Ärzte, Spitäler, Fachgesellschaften und weitere Institutionen des Gesundheitswesens aus. Die Pharmaindustrie lädt die Fachpersonen an Kongresse ein, bezahlt sie für Beratungsaufträge und sponsert Veranstaltungen und Forschungsprojekte.

Über 200’000 Franken von der Pharma

So auch im Fall von Derma2go. 274’684 Franken überwies die Pharmabranche 2024 an die Firma mit Sitz in Zürich. Mit Abstand am meisten steuerte Janssen Pharmaceutica bei, die Tochter des Pharmariesen Johnson & Johnson. 125’000 zahlte diese Derma2go ohne Gegenleistung. 10’000 Franken davon sind sogenannte Fees – also Gelder, die flossen, weil die Firma für Janssen Pharmaceutica eine Gegenleistung erbrachte, sie zum Beispiel beriet.

Wie passt das mit Christian Greis' Tätigkeit als leitender Oberarzt an der Dermatologischen Klinik des USZ zusammen? Wie steht das Spital dazu? Wie der Arzt und Verwaltungsratspräsident selbst?

Auf unsere Anfrage reagiert Letzterer nicht. Stattdessen antwortet das USZ für ihn. Der Sprecher Marcel Schlatter schreibt, Christian Greis arbeite ausserhalb der Arbeitszeit am Spital bei Derma2go. «Seine Tätigkeit bei der Firma wurde von Beginn an offengelegt, durch das USZ geprüft und bewilligt.»

Fakt ist: Das Unispital kauft bei Greis eine Dienstleistung ein – eben dieses Onlinetool. Hat der Arzt geholfen, seiner Firma den Auftrag zu verschaffen? Nein, wie Spital-Sprecher Schlatter schreibt: Die Auswahl von Derma2go sei auf dem ordentlichen Beschaffungsweg erfolgt, woran der Arzt nicht beteiligt gewesen sei.

Gesundheitsökonom: «Interessenkonflikt»

In Bezug auf die genauen Kosten hält sich das Spital bedeckt. Lediglich eine «marktübliche» Softwarelizenzgebühr für die Nutzung von deren Plattform bezahle es. Öffentlich ausgeschrieben hat das USZ den Auftrag nicht: Die Kosten lägen deutlich unterhalb des Schwellenwerts, so der Sprecher.

Das USZ und Christian Greis sehen also kein Problem. Ganz anders der renommierte Gesundheitsökonom Heinz Locher, der einst Mitglied der Expertengruppe des Bundesrats zum Gesundheitswesen war. Es liege ein «Interessenkonflikt vor». «Das Verhalten des Arztes und des USZ sind nicht akzeptierbar.» Besonders stossend findet er, dass das USZ nur Derma2go als Partnerin nennt, dass also ein Monopol besteht. Es gibt weitere Telemedizinanbieter, zum Beispiel Medgate. Locher fordert klare Regelungen für solche Fälle. Denn: Gerade weil die Telemedizin im Aufschwung ist, würden solche und ähnliche Konstrukte in Zukunft zunehmen.

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