Daniel F. (22) bittet vor Gericht um Entschuldigung
Luxus-BMW geklaut und Polizistin überfahren

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Daniel F. (22) sind happig: mehrfacher Mordversuch, mehrfache Gefährdung des Lebens. Ab Dienstag steht der junge Mann, der 2019 mit einer Rowdy-Fahrt für Aufsehen sorgte und eine Polizistin über den Haufen fuhr, vor Gericht.
Publiziert: 01.02.2022 um 07:12 Uhr
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Aktualisiert: 01.02.2022 um 17:52 Uhr
BMW-Rowdy Daniel F. (22) steht ab Dienstag vor Gericht. Ihm wird unter anderem mehrfacher versuchter Mord vorgeworfen.
Foto: zvg
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Nicolas Lurati

Es war eine Wildwest-Fahrt. Im Oktober 2019 klaut ein junger Mann (damals 20) in Neftenbach ZH einen BMW. Er umgeht in Winterthur ZH eine Strassensperre und fährt eine Polizistin an. Die Frau überlebt mit schweren Verletzungen. Erst nach einer weiteren Flucht wird der BMW gestoppt. Der 20-Jährige haut zu Fuss ab. Doch ein Polizist springt ihn an und macht ihn dingfest.

Wie Blick-Recherchen damals zeigten, handelt es sich beim BMW-Rowdy um Daniel F.* aus Neftenbach. Ab Dienstag steht der mittlerweile 22-Jährige vor dem Bezirksgericht Winterthur. Wie die Anklageschrift zeigt, werden ihm unter anderem mehrfacher versuchter Mord, mehrfache Gefährdung des Lebens und grobe Verletzung der Verkehrsregeln vorgeworfen.

«Ich würde gerne alles rückgängig machen»

Vor Gericht gibt er sich reumütig. Er wisse jetzt, dass er psychisch krank sei und Unterstützung brauche. Er habe die Polizistin nicht mit dem Auto erfassen wollen, sagte der Schweizer in einer vorbereiteten Erklärung. Er habe unüberlegt gehandelt, das sei falsch und gefährlich gewesen.

«Ich würde gerne alles rückgängig machen und wünsche mir, dass es ihr bald wieder gutgeht.» Der Schweizer lebt aktuell in einer geschlossenen Massnahmenstation in der psychiatrischen Klinik Rheinau. Dort wird er wegen seiner Schizophrenie behandelt. «Ich weiss heute, dass ich Medikamente brauche. Es geht mir viel besser.»

Der Beschuldigte konsumierte seit dem Alter von 14 Jahren Drogen, zuerst Cannabis, dann auch LSD und Kokain, was bei ihm immer wieder Psychosen auslöste und auch schon früher Klinikaufenthalte nötig machte. Sein Leben habe plötzlich eine andere Richtung genommen, was er selber aber nicht gemerkt habe, sagte er.

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Er wurde immer enthemmter

Der Gutachter empfiehlt deshalb eine stationäre Massnahme nach Artikel 59, auch «kleine Verwahrung» genannt. Ob er zum Tatzeitpunkt Stimmen hörte, wollte der Beschuldigte nicht sagen.

Gemäss einem Gutachten löste die psychische Krankheit eine Wesensveränderung beim jungen Schweizer aus. Seine Fähigkeit zur Selbstkritik bröckelte immer mehr. Er entfernte sich von gängigen Wertvorstellungen und wurde zunehmend enthemmter.

Auch heute noch hört der Beschuldigte «kommentierende Stimmen» in seinem Kopf. Was diese sagen oder befehlen, wollte er vor Gericht aber nicht sagen. Auch dazu, ob er zum Tatzeitpunkt vor zwei Jahren solche Stimmen hörte, äusserte er sich nicht.

Kein Kommentar zur Tat

Ein Gutachten attestiert ihm wegen seiner Schizophrenie eine schlechte Prognose. Um das Risiko für künftige Straftaten zu verringern, solle er eine stationäre Massnahme nach Artikel 59 antreten, umgangssprachlich auch «kleine Verwahrung» genannt. Dort könne seine Schizophrenie therapiert werden.

Eine Massnahme für junge Erwachsene, wie es die Anwältin fordert, hält der Gutachter für nicht zielführend. Er müsse nicht lernen zu arbeiten oder sich einzuordnen.

Viel reden mochte der Beschuldigte, offensichtlich auf Anraten seiner Verteidigerin, nicht. Zur Tat gab er keinerlei Kommentar ab.

Mit 260 km/h vor der Polizei abgehauen

Die Anklage zeigt, wie sich die Irrfahrt von Daniel F. abgespielt haben soll. Aus einer Garage in Neftenbach klaut er einen hochtourigen BMW 750d xDrive. Und fährt mit dem Luxusfahrzeug davon. Dabei drückt F. aufs Gas. Während seiner Fluchtfahrt in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 2019 beschleunigt Daniel F. den BMW auf der A13 in Richtung Maienfeld GR auf rund 260 km/h. Dies ohne gültigen Führerausweis – der wurde ihm 2018 entzogen. Dass ihm beim Tempo-Exzess ein Polizeiauto auf den Fersen ist, scheint ihn nicht zu interessieren.

Gegen Mittag wird der Beschuldigte wieder im Raum Winterthur aufgespürt. Zwei Polizistinnen errichten eine Strassensperre. F. reiht sich in eine Kolonne ein. Mehrere Zivilbeamte nähern sich dem BMW mit gezogener Waffe. Sie fordern den Rowdy auf, auszusteigen.

Daniel F. schert aber mit dem BMW aus der Kolonne aus. Und fährt voll auf die Polizistinnen zu, die die Sperre errichteten. Eine Beamtin kann ausweichen, die andere nicht. Der Beschuldigte habe sie mit dem BMW mit einem Tempo von 40 bis 45 km/h erfasst, heisst es in der Anklage. «Die Geschädigte flog aufgrund des Zusammenstosses mehrere Meter durch die Luft und prallte anschliessend auf dem Asphalt auf.»

Polizistin schwebte in Lebensgefahr

Und sie erleidet erhebliche Verletzungen: Quetsch-Riss-Wunde am Kopf, Rippenbrüche – «sowie eine Verletzung der linken inneren Halsschlagader mit Embolien». Sie schwebte in Lebensgefahr.

Trotzdem fährt Daniel F. an besagtem Oktobertag weiter. Bei Waltenstein ZH löst sich ein Pneu von einer Felge des Flucht-BMWs. Der junge Mann fährt immer noch unbeirrt weiter. Dann rammt der Rowdy zwei Polizeiwagen. Danach kommt es zur Kollision – die Polizei kann F. endlich anhalten.

Oberste Polizistin hofft auf «strengstmögliches Urteil»

Nach dem BMW-Rowdy-Vorfall im Oktober 2019 zeigte sich der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) schockiert. Gegenüber Blick sagte der Verband damals, dass man hoffe, dass der Täter mit aller Härte bestraft werde. Nun steht der Angeklagte Daniel F.* (22) vor Gericht.

Und VSPB-Präsidentin Johanna Bundi Ryser bleibt bei ihrer Ansicht, wie sie am Montag zu Blick sagt: «Wir hoffen, dass das höchstmögliche Strafmass gefordert und auch das strengstmögliche Urteil gefällt wird. Das Gericht muss Mut haben, die maximale Strafe auszusprechen.»

Denn in diesem Fall könne man von «schweren Angriffen auf Polizistinnen und Polizisten sprechen.» Diese seien nie entschuldbar, so die oberste Polizistin. Generell würden solche schweren Angriffe nie spurlos an den Kolleginnen und Kollegen vorbeigehen.

Bundi Ryser betont: «Das Verhalten des Täters ist für mich unentschuldbar – ohne Wenn und Aber.»

* Name geändert

Nach dem BMW-Rowdy-Vorfall im Oktober 2019 zeigte sich der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) schockiert. Gegenüber Blick sagte der Verband damals, dass man hoffe, dass der Täter mit aller Härte bestraft werde. Nun steht der Angeklagte Daniel F.* (22) vor Gericht.

Und VSPB-Präsidentin Johanna Bundi Ryser bleibt bei ihrer Ansicht, wie sie am Montag zu Blick sagt: «Wir hoffen, dass das höchstmögliche Strafmass gefordert und auch das strengstmögliche Urteil gefällt wird. Das Gericht muss Mut haben, die maximale Strafe auszusprechen.»

Denn in diesem Fall könne man von «schweren Angriffen auf Polizistinnen und Polizisten sprechen.» Diese seien nie entschuldbar, so die oberste Polizistin. Generell würden solche schweren Angriffe nie spurlos an den Kolleginnen und Kollegen vorbeigehen.

Bundi Ryser betont: «Das Verhalten des Täters ist für mich unentschuldbar – ohne Wenn und Aber.»

* Name geändert

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Über zwei Jahre sind seither vergangen. Ein psychiatrisches Gutachten könnte darüber Auskunft geben, was bei seiner Raserfahrt in seinem Kopf vorging. Oder war es das Marihuana? Sein Vater sagte nämlich 2019 nach dem Vorfall zu Blick, dass sein Sohn irgendwann angefangen habe zu kiffen. «Das Kiffen hat sicher Einfluss auf das gehabt, wie er heute ist.» Und auch wenn die Liste der Anklagepunkte lang und schwerwiegend ist – der Vater sagte damals, dass es sein Sohn «nicht verdient» habe, als Schwerverbrecher dargestellt zu werden.

Ob er denn als ein solcher bestraft wird, entscheidet das Gericht. Noch nicht bekannt ist, welches Strafmass die Staatsanwältin fordert. Es ist in der Anklageschrift nicht formuliert. Sie wird es erst am Prozess bekannt geben. Für Daniel F. gilt die Unschuldsvermutung.

* Name geändert


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