Ruth Koch (60) ist fassungslos. Weil sie für ihre Aludosen keinen Platz im Recyclingcontainer fand, stellte sie den Plastiksack neben die Behälter. Dafür wurde sie von der Gemeinde Dielsdorf ZH mit fast 150 Franken gebüsst (BLICK berichtete). Begründung: «Die Umtriebsentschädigung wurde korrekt ausgestellt, da der Abfall falsch entsorgt wurde. Die Vorschriften müssen für alle gleichermassen gelten.» Dass Ruth Koch den Abfall gar nicht korrekt entsorgen konnte, weil die Gemeinde ihren Job nicht gemacht hat, zählt nicht.
«Wie eine Schwerverbrecherin»
Es stellt sich raus: Ruth Koch ist kein Einzelfall. Mehrere Personen meldeten sich bei BLICK, klagen über dasselbe Problem. Hazal K.* (21) sagt, sie habe vergangenen August ihre Dosen nicht entsorgen können, weil sämtliche vier Container voll gewesen seien. Also stellte sie ihren Plastiksack daneben. Zwei Wochen später erhielt sie einen Brief: «Illegale Abfallentsorgung», angehängt Bilder der Überwachungskameras, Rechnung über 135.70 Franken. «Ich fühlte mich wie eine Schwerverbrecherin», sagt K. Als sie sich beschwert, sagt ihr die Gemeinde, sie habe die Einsprachefrist verpasst. Heute weiss Hazal K.: «Auch wenn ich rechtzeitig gewesen wäre, hätte das nichts geändert.»
Salatschüssel war zu gross
Im April 2019 war Denise Eggenschwiler (43) auf demselben Werkhof. Sie hatte Altglas dabei, wollte es in die vorgesehenen Container werfen, erzählt sie BLICK. «Die Umwelt ist mir wichtig. Wenn ich mit dem Hund spazieren gehe und Abfall am Boden sehe, lese ich den auf und werfe ihn weg.» Doch eine Salatschüssel war zu gross für die Recycling-behälter, also stellte sie diese oben drauf und fuhr davon. Daraufhin habe auch sie eine Rechnung erhalten (135.15 Franken). Sie war geschockt: «Ich hab noch nie in meinem Leben eine Busse erhalten», sagt sie zu BLICK. «Und nun wurde mir mit einer Anzeige wegen Littering gedroht». Eggenschwiler meldete sich telefonisch bei der Gemeinde, versucht sich zu erklären. Keine Chance. «Also habe ich halt bezahlt», sagt sie konsterniert. «Ob diesem Verhalten der Gemeinde kann man nur den Kopf schütteln.»
Weitere Fälle liessen sich aufzählen, diverse BLICK-Leser meldeten sich nach dem Artikel über Ruth Koch mit ähnlichen Erfahrungen. Über 500 Kommentare wurden abgegeben – die Meinung ist eindeutig: In der Gemeinde Dielsdorf sitzen Sturköpfe.
Gemeinde bleibt uneinsichtig
Das zeigt sich auch, als sich BLICK nochmals bei den Verantwortlichen meldet – und sie darauf aufmerksam macht, dass ihre Regeln für einige Verwirrung sorgen. Die Antwort: «In der Gemeinde Dielsdorf ist es verboten, Abfälle im Freien auf öffentlichem oder privatem Grund abzulagern oder stehen zu lassen.» Die Kosten für die korrekte Entsorgung von unsachgemäss beseitigten oder inkorrekt abgelagerten Abfällen würden den Verursachern in Rechnung gestellt.
Auf die Frage, ob es denn tatsächlich rund 150 Franken wert sei, einen zusätzlichen Abfallsack aufladen zu müssen, heisst es: «Falsch entsorgter Abfall kann durch Wind und Wetter in die Natur, auf die Strasse oder in Privatgärten gelangen. Die Rechnung setzt sich aus der Umtriebsentschädigung und den Entsorgungskosten zusammen.»
Wie hoch diese effektiven Entsorgungskosten sind, ist den Rechnungen der BLICK-Leser zu entnehmen: Zwischen 1 und 7 Franken. Der Rest: Aufwand der Gemeinde!
Und noch eine Aussage der Gemeinde macht stutzig: Die Fälle, die BLICK bekannt sind, haben sich zu verschiedenen Jahreszeiten zugetragen. In Dielsdorf beharrt man aber darauf, dass die Recycling-behälter regelmässig geleert werden und eigentlich nie überfüllt sind. «Es handelte sich um einen Einzelfall», heisst es, angesprochen auf Ruth Koch. Die zahlreichen Feedbacks der BLICK-Leser sprechen eine andere Sprache.
*Name bekannt