Filippo Leuteneggers Söhne im Ausgang verprügelt.
Wer stoppt die Schläger? Die Polizei nicht!

Prügler, die aus dem Nichts zuschlagen – Polizisten, für die das Normalität ist. Ein FDP-Nationalrat weiss jetzt, wie sich ein Vater fühlt, wenn seine Kinder die Opfer sind.
Publiziert: 07.11.2009 um 22:01 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:33 Uhr
Von Marcel Odermatt und Philippe Pfister

Donnerstag, 15. Oktober, drei Uhr morgens im Zürcher Niederdorf: Silvan Leutenegger (24) und ein Kollege sind auf der Suche nach einem Taxi. Plötzlich, wie aus dem Nichts, kommen zwei junge Männer von hinten. Ohne Vorwarnung, ohne jeden ersichtlichen Grund greifen sie an. «Gleich bei der ersten Attacke trat einer der Prügler meinem Freund Sebastian so heftig ins Wadenbein, dass der Knochen brach», sagt Silvan, zweitältester Sohn von FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger (56, ZH).

Der Horror fängt gerade erst an. Als Sebastian am Boden liegt, dreschen die beiden Jugendlichen mit Fäusten auf ihn ein. Und als Silvan ihm beistehen will, gehen die Prügler auch auf ihn los. Dann machen sich die Angreifer aus dem Staub. Mit zitternden Händen klaubt Silvan das Handy aus der Jacke und ruft die Polizei. «Zehn Minuten» sei er befragt worden. Weitere Minuten habe es gedauert, bis die Beamten da gewesen seien – obwohl die Polizeiwache Urania nur wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt ist.

Schutz und Rettung Zürich bringen den Architekturstudenten Sebastian kurz nach vier Uhr ins Unispital. Für die Stadtpolizei war es ein Routinefall, wie er in der Schweizer Metropole Woche für Woche dutzendfach vorkommt: «Wir waren innert Minuten am Tatort, die Fahndung war bisher leider ergebnislos. Sie läuft aber weiter», so Polizeisprecher Marco Cortesi.

Als Sebastian zwei Tage später auf der Hauptwache Urania Anzeige erstatten will, wird er nach Hause geschickt – der zuständige Beamte sei nicht da, wird im mitgeteilt. Der Mangel an Ernsthaftigkeit, mit der die Sache verfolgt wird, schockiert die ganze Familie Leutenegger. Nationalrat Filippo Leutenegger: «Die Verhältnismässigkeit ist nicht mehr gegeben. Wir verfolgen heute Parksünder mit mehr Energie und Aufwand als brutale Schläger.» So dürfe es nicht weitergehen. Und: «Die Polizei muss ihre Prioritäten ändern. Gewaltdelikte müssen viel dringlicher behandelt werden.»

Lorenzo Leutenegger (25), der älteste Sohn des FDP-Politikers und Kandidat bei der Mister-Schweiz-Wahl 2007, kann seinem Vater nur zustimmen: Ihn traf es im Dezember, als er in Bern einen Freund besuchte. Wieder war es Nacht. Wieder kam der Angriff aus dem Nichts.

In einem Club, wie er sich später erinnerte, war Lorenzo von einem Mann mit slawischem Akzent angerempelt worden. Er schenkte dem Vorfall keine Beachtung und verliess mit dem Freund kurz nach drei Uhr das Lokal. In einer der engen Berner Gassen hörten sie schnelle Schritte. Eine Gruppe von rund sieben Männern holte sie rasch ein. Der Mann aus dem Club baute sich vor Lorenzo auf und schlug sofort zu. Ein Zahn splitterte, Blut schoss aus Lorenzos Mund. Er ging zu Boden. Die Prügler droschen weiter auf den trainierten Sportler ein. Wie «dumpfe Hammerschläge» habe er die Hiebe empfunden. Auch sein Kollege konnte ihm nicht helfen – er wurde ebenfalls verprügelt.

Auch hier kam wenig Unterstützung von der Polizei. In Bern heisst es, eine Anzeige sei gerade nicht möglich, weil der zuständige Beamte nicht da sei. Als Lorenzo sie bei der Zürcher Wache erstatten will, schickt man ihn wieder nach Bern.

Lorenzo ist konsterniert, mit welch geringem Engagement die Polizei der Sache nachgeht: «Dabei war es ein geplanter Überfall.»

Die Attacken haben die Brüder nachdenklich gemacht. «Wenn es uns treffen kann, kann es jeden treffen», sagt Silvan. Und Lorenzo: «Es geht nicht um mich – es geht um diese Gewaltspirale, die man stoppen muss», sagt er. Nun will er sich politisch engagieren. Seit Januar ist Lorenzo Mitglied der SVP. Schon im Frühling will er für den Zürcher Gemeinderat kandidieren: «Ich möchte aktiv mithelfen, dass wir uns in den Städten wieder ohne Angst frei bewegen können.»

Gewalt ohne Ende
4. November 2009, Niederhasli ZH Ein Töfflibueb (15) schlägt einen Familienvater (42) spitalreif. Der Mann hatte den Jugendlichen auf ein Fahrverbot hingewiesen.

30. Juni 2009, München (D) Die Schüler Mike, Benji und Ivan (alle 16) schlagen im Klassenlager in München Wolfgang O. (46) halb tot. Die Münchner Staatsanwaltschaft klagte die Schweizer Täter wegen versuchten Mordes an.

29. Juni 2009,Bazenheid SG Norman D. (51) wird in seiner Tiefgarage von acht Jugendlichen brutal zusammengeschlagen. Die 17- bis 19-Jährigen verfolgten ihn bis nach Hause, weil er die Raser auf der A 1 gefilmt hatte.

21. Mai 2009, Kreuzlingen TG Brutal schlagen drei Jugendliche beim Bahnhof Kreuzlingen einen Gleichaltrigen. Sie treten ihn, als er schon am Boden liegt. Bilder aus der Überwachungskamera führen auf die Spur der Schläger.

13. Juli 2008, Zürich Am Bahnhof Stadelhofen schlagen zwei Jugendliche (17, 19) auf einen Mann (34) ein. Das Opfer stürzt auf das Gleis und bleibt verletzt liegen. Ein Zeuge rettet ihn in letzter Sekunde vor dem nahenden Zug.
4. November 2009, Niederhasli ZH Ein Töfflibueb (15) schlägt einen Familienvater (42) spitalreif. Der Mann hatte den Jugendlichen auf ein Fahrverbot hingewiesen.

30. Juni 2009, München (D) Die Schüler Mike, Benji und Ivan (alle 16) schlagen im Klassenlager in München Wolfgang O. (46) halb tot. Die Münchner Staatsanwaltschaft klagte die Schweizer Täter wegen versuchten Mordes an.

29. Juni 2009,Bazenheid SG Norman D. (51) wird in seiner Tiefgarage von acht Jugendlichen brutal zusammengeschlagen. Die 17- bis 19-Jährigen verfolgten ihn bis nach Hause, weil er die Raser auf der A 1 gefilmt hatte.

21. Mai 2009, Kreuzlingen TG Brutal schlagen drei Jugendliche beim Bahnhof Kreuzlingen einen Gleichaltrigen. Sie treten ihn, als er schon am Boden liegt. Bilder aus der Überwachungskamera führen auf die Spur der Schläger.

13. Juli 2008, Zürich Am Bahnhof Stadelhofen schlagen zwei Jugendliche (17, 19) auf einen Mann (34) ein. Das Opfer stürzt auf das Gleis und bleibt verletzt liegen. Ein Zeuge rettet ihn in letzter Sekunde vor dem nahenden Zug.
Fehler gefunden? Jetzt melden