Der tiefe Graben zwischen Velo und Auto
«Die Schweiz ist ein Velo-Entwicklungsland»

Zwischen Velofahrern und Automobilisten herrscht in der Schweiz dicke Luft. Mit einer neuen Bussen-Forderung giessen bürgerliche Politiker zusätzlich Öl ins Feuer.
Publiziert: 16.12.2016 um 19:25 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:34 Uhr
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Zwischen Velofahrern und Automobilisten wird die Strasse oft zur Kampfzone.
Foto: Thomas Lüthi
Andrea Cattani

Die Rede ist von «Amok-Velofahrern» und «Rowdys»: Für FDP-Politiker Hans-Peter Portmann (53) und seine bürgerlichen Nationalratskollegen sind die Velofahrer im Strassenverkehr ein rotes Tuch.

Mit der Forderung, Pedalentreter in Zukunft für Verkehrssünden gleich hoch zu büssen wie Automobilisten, haben die Politiker in ein Wespennest gestochen. Während Velofahrer über solche Absichten nur den Kopf schütteln können, jubeln die Automobilisten.

«Bis es der letzte Velo-Rowdy begriffen hat»

Der Artikel aus dem heutigen BLICK zeigt einmal mehr: Zwischen Auto und Velo tut sich in der Schweiz ein tiefer (Strassen-) Graben auf. Wer hinter dem Lenkrad sitzt, für den scheinen die Bussen für Velofahrer offenbar nicht hoch genug sein zu können.

«Rigoros durchgreifen, bis auch der letzte Velo-Rowdy begriffen hat, dass ihn seine rücksichtslose Art teuer zu stehen kommt», so die Forderung der Online-Kommentarschreiber. Oder: «Auf schwere Verkehrsregelverletzungen gibt es nur eine Antwort: Ausweisentzug für jeden Fahrer prüfen.»

Sündige Velofahrer können mit einer geringeren Busse für Vergehen rechnen.
Foto: Thomas Lüthi

Viele Automobilisten fühlen sich im Strassenverkehr ungerecht behandelt. Während gefühlt an jeder Ecke die Polizei Autos kontrolliere und selbst bei kleinsten Verfehlungen keine Gnade kenne, würden Velofahrer mit Samthandschuhen angefasst.

Tatsächlich ist es so, dass für Verstösse mit dem Velo ein anderer Bussenkatalog gilt. Begründet wird dies mit einem unterschiedlichen Fremdgefährdungspotenzial. 

Doch nicht nur die Automobilisten halten bei diesem Reizthema mit ihrer Meinung nicht zurück. Auch Fussgänger beziehen klar Stellung. Sie berichten von haarsträubenden Velomanövern und Kamikaze auf den Fussgängerstreifen.

Die happigen Vorwürfe nimmt die Zweirad-Fraktion nicht einfach so hin. «Mit ihrem Verhalten zwingen einen die Autofahrer ja zum Regelbruch», beklagt sich ein Leser. Zudem seien abgelenkte Autolenker mit Handy am Ohr das viel grössere Übel.

Veloblitz-Kurier Roland Munz macht täglich seine Erfahrungen im Strassenverkehr.
Foto: zvg

Die dicke Luft auf den Schweizer Strassen bekommt auch Roland Munz (44) zu spüren. Er ist auf den Zürcher Strassen für den Kurierdienst Veloblitz im Sattel unterwegs. Reibereien gehören für ihn in der Kampfzone zur Tagesordnung. «Wege sind zugestellt, man wird angeflucht und es wird wild gestikuliert.» Munz zeigt sich aber diplomatisch: «Schwarze Schafe gibts bei Auto- und Velofahrern.»

Ebenfalls fast täglich mit dem Velo unterwegs ist Matthias Aebischer. Der 49-Jährige ist SP-Nationalrat und Vizepräsident von Pro-Velo. Er betont zwar, dass er ganz bestimmt kein Rowdy sei, aber Blechkolonnen liess auch er schon im Slalom hinter sich. «Logisch weicht man da aus, wenn einem kein Platz gelassen wird.»

Im Verkehr wird immer weniger Rücksicht genommen

Für Aebischer sind aber weniger die Autofahrer das Problem, als viel mehr die schlecht markierten Wege und miesen Signalisierungen. «Bezüglich Infrastruktur ist die Schweiz ein absolutes Velo-Entwicklungsland!»

Er fordert deshalb seinen FDP-Kollegen auf, mehr für die hiesigen Velofahrer zu tun. Damit wäre auch den Autofahrern ein Gefallen getan. «Wenn man den Velos zeigt, wo ihr Platz ist, hilft das auch dem Anliegen von Herrn Portmann», erklärt Aebischer.

Eine Erklärung für den Zwist unter Auto- und Velofahrern sieht Velokurier Munz in der zunehmenden Verrohung der Verkehrsteilnehmer. «Das wirkliche Problem ist, dass im Verkehr immer weniger Rücksicht genommen wird aufeinander. Das ist keine Frage von Fussgänger, Velo- oder Autofahrer.» 

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