So lebte der Vierfachmörder Günther Tschanun
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Der Fokus auf Blick TV:So lebte der Vierfachmörder Günther Tschanun

Damaliger Staatsanwalt Marcel Bertschi (86) über Tschanun
«Nur seine Morde konnte er zielstrebig ausführen»

Marcel Bertschi, damals Chefankläger im Tschanun-Prozess, war erst erleichtert, als der Täter des mehrfachen Mordes schuldig gesprochen wurde. Der Ex-Staatsanwalt erinnert sich.
Publiziert: 14.04.2021 um 16:36 Uhr
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Im April 1986 erschoss Günther Tschanun (†73), damaliger Chef der Zürcher Baupolizei, vier Mitarbeiter. Einen fünften verletzte er schwer.
Foto: Keystone
Nicolas Lurati

Er ist ein echter Zeitzeuge: Marcel Bertschi (86) war als anklagender Staatsanwalt beim Tschanun-Prozess hautnah dabei. Und sorgte dafür, dass der Vierfachmörder die Höchststrafe kassierte.

Auch 35 Jahre nach der Tat erinnert sich der Pensionär gut an Günther Tschanun (†73). Zunächst ist Bertschi sehr unzufrieden, als Tschanun 1988 in erster Instanz nicht für mehrfachen Mord verurteilt wird. «Dabei wäre es für mich klar gewesen: Er hat die Tat akribisch geplant und kaltblütig umgesetzt. Als er schliesslich vom Bundesgericht des mehrfachen Mordes schuldig gesprochen wurde, war ich erleichtert.»

«Konnte nie zugeben, dass er Mitarbeiter getötet hat»

Ihn habe aber extrem gestört, dass sich damals niemand um die Opfer gekümmert habe, so Bertschi. «Ein junger Ehemann wird umgelegt. Und plötzlich steht die Frau alleine mit den Kindern da. Da hätte ich mir mehr Opferunterstützung seitens der Stadt Zürich gewünscht.»

Bertschi stellt klar, dass er Tschanun nie mochte: «Er konnte nie offen sagen und zugeben, dass er seine Mitarbeiter getötet hat.» Tschanun sei immer mit sich selbst beschäftigt gewesen, so der pensionierte Chefankläger. «Er war unfähig, sich selbst kritisch zu betrachten. Grund für sein Scheitern im Job war, dass er eine Pumpe gewesen sei, wie seine Untergebenen berichteten.»

«Nur seine Morde konnte Tschanun zielstrebig ausführen»

Das Fazit des Ex-Staatsanwalts über Tschanun fällt deutlich aus: «Generell war er in der Bewältigung seines Lebens unfähig und kompliziert. Alles scheiterte. Beruf, Ehe, Freundschaften. Nur sein Büro hatte er schön eingerichtet. Und nur seine Morde konnte er zielstrebig ausführen.»

Doch der Vierfachmörder hatte auch Befürworter. «Im Gefängnis erhielt er viele Zuschriften von weiblichen Fans», weiss Bertschi. «Von einer Frau weiss ich, dass sie ihm in den Knast geschrieben hatte, dass seine schönen Augen auf dem Blick-Foto sie bezirzt hätten.»

Bertschi hat selbst Bezug zum Tessin

2000 kam Tschanun frei – und lebte unter falschem Namen unerkannt im Tessin. Bertschi sagt: «Nach der Haftentlassung hätte Günther Tschanun grosse Schwierigkeiten gehabt, mit seinem richtigen Namen wieder resozialisiert werden zu können. Er hiess ja nicht Müller oder Meier. Der Name Tschanun war schweizweit bekannt.»

Im Jahr von Tschanuns Haftentlassung wurde Bertschi pensioniert. «Es hat mich daher nicht gross gekümmert, dass er unter neuer Identität neu anfangen konnte.»

Auch Bertschi selbst hat einen Bezug zum Tessin. Seit Jahrzehnten besitzt er dort ein Ferienhäuschen (eine alte Mühle): «Da hätte ich ihn zu seinen Lebzeiten gar zufällig antreffen können.»


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