Dorfpolizist Peter L.* (61) war in der Nobel-Gemeinde Uitikon ZH für seine unkomplizierte Art bekannt. Nach über 20 Jahren im Dienst ging er auch gerne mal ohne Uniform auf Patrouille (BLICK berichtete). Er habe immer ein offenes Ohr gehabt und sei offen für unkonventionelle Lösungen gewesen, heisst es in der Bevölkerung. Allerdings: Nicht nur der Kleidungsstil des Dorf-Originals war sehr ungezwungen, sondern auch sein Umgang mit dem Bussenblock.
Gestern enthüllte BLICK: Der Polizist steht im Verdacht, Bussengelder in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Und der Polizist ist seinen Job kurz vor der Pensionierung los.
Das Ausmass des Bussen-Bschisses dürfte grösser sein als ursprünglich angenommen. Innerhalb weniger Stunden haben sich fast ein Dutzend Leute bei BLICK gemeldet. Sie alle erhielten Bussen, die aus heutiger Sicht zumindest dubios erscheinen.
Auch Blaufahrer profitierten
Die Masche des Gemeindepolizisten L. soll dabei immer dieselbe gewesen sein: Wer ihm das Geld Cash auf die Hand gab, am besten ohne Quittung, erhielt einen Rabatt. Dafür kam das Geld nie bei der Gemeinde an. Der bislang älteste Fall ist fast zehn Jahre her, der jüngste soll sich 2018 ereignet haben. Und: Es betrifft nicht nur Kleinigkeiten wie falsch Parkieren.
Beat (58) gibt beispielsweise offen zu: Er wurde von L. während einer Blaufahrt gestoppt – und musste nur 100 Franken bezahlen: «Ich trank vielleicht vier, fünf oder sechs Stangen und wurde herausgezogen, weil ich am Steuer ein SMS schrieb.»
Anstalten, einen Alkoholtest durchzuführen, machte der Polizist nicht. Aber: «Er sagte mir, er könne einen Deal mit mir machen, weil es kurz vor Weihnachten sei. 100 Franken in bar, dann sei alles erledigt. Danach fuhr ich weiter.» Seltsam vorgekommen sei ihm die ganze Sache schon, aber weil er wohl zu viel Alkohol im Blut hatte, sagte der 58-Jährige natürlich nichts.
Immerhin: Er fahre heute nicht mehr blau herum, sagt er. «Ich bin mit zwei blauen Augen davongekommen.» Denn bei einem solchen Vergehen drohen Fahrausweisentzug und eine hohe Busse. Nach fast zehn Jahren dürfte die Sache nun aber verjährt sein.
Der Uitiker Pöstler Robi (41) hatte letztes Jahr den Paket-Scanner in der Hand, während er den Postwagen fuhr. Da stoppte ihn L. an der nächsten Strassenecke und meinte: «Robi, das kostet dich jetzt einen Hunderter.» Dieser wehrte sich und meinte, er habe nur 90 Franken dabei. Das war dem Polizisten auch Recht. Als der Pöstler klagte, er brauche noch 20 Franken für den Zmittag, gewährte ihm der Polizist einen weiteren Rabatt und stellte ihm dafür keine Quittung für die Busse aus. «Er hat das Geld ganz einfach in die Tasche gesteckt und meinte, dafür gibt es keine Anzeige.»
Wird das ganze Ausmass nie bekannt?
Viele Einwohner wollen sich nicht öffentlich zum Dorfpolizisten äussern. Aber: Ihre Geschichten gleichen sich alle. Den ganzen Fall aufzuklären, dürfte trotzdem schwierig werden. Gerade weil die meisten Betroffenen keine Quittung haben.
Sicherheitsvorsteher Patrik Wolf (55) hat zwar von Gerüchten gehört, sagt er zu BLICK. «Ich hatte keine Fakten.» Als ihm aber eine Quittung vorgelegt worden sei, zu der er keine Einzahlung fand, habe er schnell reagiert, den Polizisten freigestellt und Anzeige erstattet. Und er habe L. konfrontiert: «Er konnte die Ungereimtheiten nicht erklären.»
Für Peter L. ein harter Schlag. Als die Sache aufflog, erlitt er einen Zusammenbruch. Gegenüber BLICK wollte er sich nicht äussern. Nur: Man wolle zu gegebener Zeit kommunizieren, sagt der junge Mann, der an L.'s Privatadresse die Türe öffnet. Die Vorwürfe wiegen zwar schwer, noch ist L. aber nicht rechtskräftig verurteilt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
*Name geändert