Stephan L.* (21) hat seinen Vater Balts L.* (†67) mit einem Kopfschuss getötet. Der Täter ist geständig, für Staatsanwalt Markus Oertle war der Fall klar: Es war Mord. Er wollte den Velomech-Lehrling für 14 Jahre hinter Gitter bringen.
Auch der bekannte Verteidiger Valentin Landmann forderte eine verhältnismässig hohe Strafe für seinen Mandanten – auf dessen Wunsch, wie er in seinem Plädoyer am Dienstag betonte. Maximal zehn Jahre wegen vorsätzlicher Tötung hatte er von Beginn an angestrebt.
Richterin unterbot Staatsanwalt & Verteidiger
Das heutige Urteil ist ein anderes. Fünf Jahre muss Stephan L. ins Gefängnis. Wegen Totschlags. Diese dritte Möglichkeit hatten weder Staatsanwalt noch Verteidiger in ihren ursprünglichen Anträgen überhaupt in Betracht gezogen – es war Richterin Yvonne Mauz selbst.
Sichtlich bewegt hatte sie dem Angeklagten während seiner Befragung am Montag zugehört. Als Stephan L. von seiner schweren Kindheit, dem Alkoholtod der Mutter und den Demütigungen des Vaters erzählte, schluckten die Zuschauer schwer.
Hatte die Richterin Mitleid? Schliesslich war sie es, die den beiden Parteien nach dem ersten Prozesstag den entscheidenden Hinweis gegeben hatte. Sogar den entsprechenden Artikel 113 aus dem Strafgesetzbuch hatte sie laut vorgelesen: «Handelt der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.»
Valentin Landmann hat den Wink verstanden und Totschlag als mögliche Option in sein Plädoyer aufgenommen. Mit Erfolg. Am Ende hat die Richterin ihrem eigenen Antrag stattgegeben. Der Kampf ist aber noch nicht vorbei: Der Staatsanwalt hat die Berufung bereits angemeldet.