Babydrama an der Glatt
Polizei verwehrte Mutter den Abschied

Was musste diese Mutter nur durchmachen! Nach dem tragischen Unfall an der Glatt lag ihr vier Monate altes Baby im Sterben. Doch Judith B.* durfte nicht zu ihrem Loris. Denn die Polizei hielt sie fest.
Publiziert: 05.04.2009 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2019 um 04:13 Uhr
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Von Silvana Guanziroli und Benno Kälin

Es sind die schwersten Stunden im Leben der 28-jährigen Judith B.* Ihr vier Monate alter Sonnenschein ist tot. Ein tragischer Unfall hat ihr Baby aus dem Leben gerissen. Jetzt kommt Unfassbares ans Licht: Der jungen Mutter wurde es verwehrt, von ihrem Kind Abschied zu nehmen. Loris’ Grossvater zu SonntagsBlick: «Während Loris im Spital im Sterben lag, wurde meine Schwiegertochter von der Polizei festgehalten. Fünf Stunden lang. Das schockiert uns sehr.»

Das Drama nahm am Mittwoch morgen um elf Uhr seinen traurigen Lauf. Judith B. spaziert in Niederglatt ZH der Glatt entlang. Sie schiebt den Kinderwagen mit Loris vor sich her. Nahe der Brücke an der Rütiwiesenstrasse trifft sie eine Kollegin. Die Frauen unterhalten sich, wie die junge Mutter später der Polizei erzählt. Irgendwann rollt der Kinderwagen die Böschung hinunter. Das Baby fällt ins kalte Wasser, die Strömung reisst es sofort mit. Wie es dazu kommen konnte, wird zurzeit von der Polizei untersucht.

«Ich sah ihn auf dem Wasser treiben»

Judith B. kann ihren Sohn nicht mehr finden, sie ruft sofort ihren Schwiegervater per Handy zur Hilfe. «Ich bin auf mein Velo gesprungen und hab nach Loris gesucht. Auf der Höhe von Höri sah ich ihn im Wasser treiben. Ich hab ihn rausgezogen, das Wasser reichte mir bis zu den Schultern. Der Junge wurde sofort reanimiert.»

Den Rettungskräften gelingt es zunächst, das vier Monate alte Baby zurück ins Leben zu holen. Mit dem Helikopter fliegen die Retter den Buben ins Kinderspital Zürich. Stundenlang kämpfen die Ärzte um Loris’ Leben – ein Kampf, den sie verlieren.

Loris’ Tod ist für seine Familie ein schrecklicher Verlust. Zudem quält sie jetzt die Frage: Warum durfte die Mutter in seinen letzten Minuten nicht bei ihm sein? Darauf will die Trauerfamilie eine Antwort. Sie hat sich bei den Behörden beschwert.

Rolf Jäger (48), Leitender Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland: «Wir bedauern ausserordentlich, dass die Mutter aufgrund der nötigen Abklärungen einige Zeit bei uns bleiben musste. Wir müssen eingestehen, dass die Mutter ins Kinderspital hätte begleitet werden können.»

Abschiedsbriefe und Blumen

Sachlich gesehen, ist für Jäger der Entscheid der Untersuchungsbehörden vor Ort aber vertretbar: «Wir haben diese Zeit benötigt, um erste Aussagen entgegenzunehmen, eine erste Lagebeurteilung vorzunehmen und das weitere Vorgehen festzulegen.» Als einen der Gründe für das lange Festhalten der Mutter nennt Jäger: «Eine wichtige Zeugin hatte sich bereits vom Unglücksort entfernt. Sie musste von der Polizei wieder zurückgeholt werden.»

An der Unglücksstelle ist die Trauer um den kleinen Loris gross. Angehörige haben Abschiedsbriefe und Blumen niedergelegt. Auf einer letzten Botschaft seiner Eltern steht: «Lieber Loris. Du bist im Schlaf von Engeln weggetragen worden. Wir vermissen dich fest.»

* Name der Redaktion bekannt

Die acht Todesfallen für Kinder
Jedes Jahr sterben in der Schweiz rund 60 Kinder bis 16 Jahre bei Unfällen. 40 Prozent sind Strassenverkehrsunfälle. SonntagsBlick nennt die restlichen Gefahrenherde.

Ertrinken, 5–10 Tote/Jahr:
Gefährlich sind Biotope und Schwimmbecken. Meistens sind es Kinder aus der Nachbarschaft oder solche, die zu Besuch sind, die ertrinken. Sie kennen die Gefahr nicht. Auch mit Wasser gefüllte Baugruben wurden schon zu tödlichen Fallen.

Ersticken, 5 Tote:
Nicht Plastiksäcke sind die Gefahr, sondern herumliegende Sachen. Zum Beispiel Murmeln. «Kinder können sich daran verschlucken», sagt Manfred Engel (43), Leiter Abteilung Haus und Freizeit bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Er kenne auch Fälle, wo sich Kinder an Schlafsäcken stranguliert hätten.

Stürze, bis 5 Tote:
Die Neugier treibt einen Knirps auf ein Fenstersims oder ein Balkongeländer. Eine Riesengefahr! Besonders heimtückisch sind Wickeltische. Engel: «Bis vor kurzem lag ein Kind vielleicht noch still, dann lernt es sich zu drehen und kann plötzlich hinunterfallen.»

Technische Geräte, 3 Tote:
Ein Bub hängt sich mit dem Velo an einen Traktor. Plötzlich gerät er unter ein Rad. Presseberichte zeigen, dass beim sogenannten Velosurfen der Tod mitfährt. Auch Stürze vom Trampolin oder einer Kletterwand enden häufig tödlich.

Vergiftungen, 1–2 Tote:
Früher starben Kleinkinder, wenn sie Putzmittel tranken. Die Hersteller haben diese mittlerweile ungeniessbar gemacht, sodass Kinder sofort erbrechen. Heute noch gefährlich sind Brennöle oder Lifestyle-Produkte im Badezimmer. Es gab auch schon tote Kinder wegen Pflanzen oder Zigarettenstummeln.

Strom, 1–2 Tote:
Kinder sterben, wenn sie Metallgegenstände in die Steckdose halten oder Elektrogeräte ins Wasser führen.

Rauch und Feuer, 1–2 Tote:
Ein technischer Defekt, ein Kurzschluss und schon steht ein Zimmer voller Rauch. Für ein Kleinkind, das nicht fliehen kann, eine tödliche Falle.

Haustiere, 1–2 Tote:
Meistens sind es Hunde, die ein Kind totbeissen. Wie bei Süleyman (6), der 2005 beisswütigen Kampfhunden zum Opfer fiel. Auch Reitunfälle fallen in die Kategorie.
Jedes Jahr sterben in der Schweiz rund 60 Kinder bis 16 Jahre bei Unfällen. 40 Prozent sind Strassenverkehrsunfälle. SonntagsBlick nennt die restlichen Gefahrenherde.

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Gefährlich sind Biotope und Schwimmbecken. Meistens sind es Kinder aus der Nachbarschaft oder solche, die zu Besuch sind, die ertrinken. Sie kennen die Gefahr nicht. Auch mit Wasser gefüllte Baugruben wurden schon zu tödlichen Fallen.

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Nicht Plastiksäcke sind die Gefahr, sondern herumliegende Sachen. Zum Beispiel Murmeln. «Kinder können sich daran verschlucken», sagt Manfred Engel (43), Leiter Abteilung Haus und Freizeit bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Er kenne auch Fälle, wo sich Kinder an Schlafsäcken stranguliert hätten.

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Früher starben Kleinkinder, wenn sie Putzmittel tranken. Die Hersteller haben diese mittlerweile ungeniessbar gemacht, sodass Kinder sofort erbrechen. Heute noch gefährlich sind Brennöle oder Lifestyle-Produkte im Badezimmer. Es gab auch schon tote Kinder wegen Pflanzen oder Zigarettenstummeln.

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Meistens sind es Hunde, die ein Kind totbeissen. Wie bei Süleyman (6), der 2005 beisswütigen Kampfhunden zum Opfer fiel. Auch Reitunfälle fallen in die Kategorie.
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