Er ist ein ganz Armer, der Ali U.* (54): tagsüber Konzentrations- und Wahrnehmungsstörungen, nachts Halluzinationen. Kaum zwei Stunden erlaubt ihm sein Leiden, ruhig zu sitzen. Klar kann er so nicht arbeiten, bekommt er IV. Und zwar eine volle Rente. Seit 2001. Ein schlimmer Fall, wie die medizinischen Unterlagen glaubhaft machen.
Zufällig schaut eine Kripobeamtin am 9. Juli 2007 TeleZüri. Eine Reportage über das Spielcasino Baden. Einer setzt sich besonders ins Bild: «Ich gewinne im Schnitt pro Abend 1000 Franken.» Er sei hier «zum Geldverdienen, nicht zum Spass», sagt «Poker-Ali». Die Polizistin stutzt und findet heraus: In Zürich kennt man ihn als IV-Bezüger Ali U.
Der Direktor des Casinos Baden, Detlef Brose, meint: «Poker ist sicher das anspruchsvollste Spiel, das in einem Casino gespielt wird. Wer bis zu vier Stunden am Pokertisch sitzt, benötigt sicher eine gewisse Konzentration.» Wäre also nichts für einen kranken Menschen.
Die Polizistin lässt den Zocker auffliegen. Rund 400 000 Franken hat er bis dahin von der IV bekommen. Jetzt stoppt sie die Zahlungen, Poker-Ali wandert in U-Haft. Hätte er bis zum Pensionsalter weitermachen können, wären es weitere 900 000 Franken von der IV geworden.
Der Zürcher Staatsanwalt Markus Hug hofft, die Untersuchung gegen Ali U. in der zweiten Jahreshälfte abschliessen zu können. Fakt ist: Der zum zweiten Mal geschiedene Ex-Chauffeur Ali U. besitzt in Istanbul eine Wohnung im Wert von 125 000 Franken. Zudem gehört dem gebürtigen Türken ein Häuschen im 100 Kilometer von Istanbul entfernten Tekirdag. Als BLICK sich das Grundstück ansah, war es für 80 000 Franken zum Verkauf ausgeschrieben.
Dazu Staatsanwalt Hug: «Wir untersuchen, ob ein strafbares Verhalten durch den Bezug von Renten der IV vorliegt», sagt er. «In diesem Zusammenhang spielen der Gesundheitszustand, die Casinobesuche und die Liegenschaften in der Türkei eine Rolle.»
Und was sagt Poker-Ali zu den Betrugs-Vorwürfen? «Ich bin ins Casino gegangen, um wieder normal zu werden», erklärt er. «Denn ich bin drogensüchtig und depressiv. Es war wie eine Therapie für mich.» Er sei schon ein Halbprofi, aber gewonnen habe er nicht viel. Von was lebt er denn heute? «Von Sozialhilfe.»
* Name der Redaktion bekannt