Der Schweiz gehen die Impfstoffe aus! Der Bund meldet Engpässe bei zehn Impfstoffen und 17 Antibiotika, berichtet die «NZZ am Sonntag» in ihrer heutigen Ausgabe.
Eine Kombi-Impfung gegen Keuchhusten soll schon über zwei Jahre fehlen, im Sommer gingen die Immunisierungen gegen Hepatitis A, B sowie gegen Starrkrampf aus. Ende 2016 war der Impfstoff Poliorix aufgebraucht, der für die Kinderlähmung gebraucht wird. Ärzte können sie erst 2019 wieder bestellen. Glücklicherweise ist die Kinderlähmung in der Schweiz seit 30 Jahren besiegt - dank Impfungen.
Abhängig von China
Die Lieferengpässe kriegen die Patienten derzeit nicht zu spüren, sie betreffen vor allem die Spitäler, berichtet die «NZZ». Im Schnitt sollen sie laut einer Studie 120 Lieferengpässe pro Jahr verzeichnen. Mit am häufigsten fehlen Impfstoffe und flüssige Antibiotika. Erst im März musste demnach das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) die Reserven für ein wichtiges Spital-Antibiotikum gegen lebensbedrohliche Infekte freigeben: 90 Prozent der schweizerischen Versorgung brachen weg. 17-mal musste der Bund in den Jahren 2015 und 2016 Antibiotika-Pflichtlager anzapfen.
Der Grund dafür: Die Produktion in China war unterbrochen. Über 80 Prozent aller Antibiotika-Wirkstoffe sollen laut der Zeitung importiert werden, zumeist aus China oder Indien. Ein nicht namentlich genannter «hochrangiger Gesundheitsbeamter aus Deutschland» wird mit den Worten zitiert, dass in Europa bis zu 300 000 Todesfälle drohten, sollten die Chinesen die Lieferung lebenswichtiger Wirkstoffe aussetzen.
Nicht lukrativ für die Pharma-Riesen
Diese Abhängigkeit könnte reduziert werden, wenn mehr in Europa produziert wird. Bloss: Internationalen Pharma-Riesen ist die Herstellung von Impfstoffen und flüssigen Antibitoka zu wenig lukrativ! Die Wirkstoffe sind patentfrei. In Europa zu produzieren, rechnet sich nicht, denn der Weltmarktpreis dafür liege unter den Produktionskosten, heisst es in der «NZZ».
«Unternehmen haben die Wahl, auf ihrer Anlage Krebsmittel mit einem Verkaufspreis in fünf- oder sechsstelliger Höhe oder ein Antibiotikum für ein paar Franken abzufüllen», sagt Axel Müller, Geschäftsführer des Verbands Intergenerika und ehemaliger Chef des Basler Generikaherstellers Acino, der «NZZ». «Der Aufwand ist der Gleiche.»
Dieser Trend schlägt sich auch in der Forschung nieder: Während sich von »Big Pharma» in den USA Bloss elf Wirkstoffe in der abschliessenden Phase der klinischen Entwicklung befinden, sind es bei Krebs über hundert.
Muss das BAG reagieren?
Um diesen Trend umzukehren und somit Abhängigkeiten zu verringern, sind Lösungen gefordert. Axel Müller schlägt vor, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bei Antibiotika faire Preise ermöglichen und auf die Einführung eines Referenzpreis-Systems verzichten solle. Dann würde es sich für die Pharmafirmen wieder rechnen können, in der Schweiz zu produzieren. (vof)