Die eisigen Wege sind leergefegt, und für einmal hallen nur die unverfälschten Stimmen der Tiere über den Zürichberg. Für Zoodirektor Dr. Severin Dressen ist es eine bittere Kälte – aber eine noch viel bittere Stille. Vor vier Wochen musste der Zoo Zürich aufgrund der Corona Pandemie bereits zum zweiten Mal seine Tore schliessen. Für den Zoo bedeutet dies einen immensen finanziellen Verlust.
Und für die Tiere? Severin Dressen betrachtet nachdenklich einen seiner Schützlinge im Gorilla-Gehege. Zum Dank schickt ihm die Gorilla-Dame einen Luftkuss durch die Scheibe. Die Stimmung im Affenhaus ist gedrückt, aber der Direktor weiss: Das gilt nicht für alle Gehege.
BLICK: Herr Dr. Dressen, vermissen die Tiere ihre Besucher?
Severin Dressen: Ein paar wenige Tierarten scheinen dem Trubel im Zoo nachzutrauern. Dazu zählen zum Beispiel die Gorillas. Für sie sind die Zoobesucher Unterhaltung – vergleichbar mit Fernsehen. Während die Gäste die Gorillas beobachten, beobachten die Gorillas die Gäste.
Sie interagieren auch mit den Menschen, spielen oder versuchen, sie durch Schläge gegen die Scheibe zu erschrecken. Aufgrund der evolutionären Nähe zum Menschen können sie uns relativ gut einschätzen und verstehen. Diese Beschäftigung scheint den Gorillas momentan zu fehlen.
Von Langeweile würde ich dennoch nicht sprechen. Die Gorillas haben in ihrem Gehege genügend Raum und Möglichkeiten, sich zu beschäftigen und miteinander zu interagieren.
Die Pinguine schwimmen momentan vermehrt entlang der Glasscheiben, sobald ein seltener Gast ihr Haus betritt. Auch sie scheinen zumindest irritiert von der anhaltenden Leere im Zoo.
BLICK: Die meisten Tiere stört es also nicht, wenn die Besucher ausbleiben?
Severin Dressen: Richtig. Den meisten Tieren im Zoo Zürich fehlen die Besucher nicht. Ihre Welt ist ihr Gehege. Je besser dieser Lebensraum ihre Bedürfnisse befriedigt, desto weniger nehmen sie die Menschen in ihrem Umfeld wahr.
Das bemerkten wir beispielsweise bei der Eröffnung unserer Lewa Savanne. Die Bewohner lernten ihr Gehege während der Zoo-Schliessung im Frühling kennen. Als wir im Sommer endlich wieder Zoogäste begrüssen durften, war die Lewa Savanne natürlich die Hauptattraktion.
Trotz der rasanten Umstellung wurden die Tiere nicht scheu oder zogen sich in abgelegene Ecken ihres Lebensraums zurück. Sie lernten schnell, dass die Besucher die Grenzen ihres Geheges nicht passieren können und fühlten sich in ihrem Zuhause weiterhin wohl und sicher.
BLICK: Gibt es auch Tiere, welche von der Abwesenheit der Menschen profitieren?
Severin Dressen: Wir konnten bisher nichts dergleichen feststellen. Die allermeisten Tiere ignorieren die Besucher. Sie haben nichts mit ihrem Alltag im Zoo zu tun – sind also weder interessant noch störend. Dass die Tiere sich jetzt nicht anders verhalten als vor der Schliessung, ist eigentlich ein gutes Zeichen.
Das bedeutet, dass wir den Tieren einen Lebensraum bieten, der ihren Bedürfnissen gerecht wird. Wenn sie beispielsweise zu wenig Rückzugsmöglichkeiten hätten, würden sie sich von den Gästen gestört fühlen. Dann würden sie jetzt ihre Routinen verändern, weniger scheu sein oder sich neue Aufenthaltsorte suchen. Dem ist aber nicht so.
BLICK: Wie hoch ist der bisherige finanzielle Verlust für den Zoo Zürich?
Severin Dressen: Im Winterhalbjahr würden wir normalerweise einen Umsatz von rund 750’000 Franken in der Woche machen. Im Sommerhalbjahr sind es ungefähr eine Million Franken pro Woche. Diese Verluste treffen uns. Die Fixkosten belaufen sich nämlich auf etwa 105’000 Franken pro Tag. Diese können wir auch während der Schliessung wenig reduzieren.
Bis auf die Kurzarbeit erhalten wir keine staatlichen Hilfen für Umsatzausfälle. Viele Arbeitskräfte wie Tierpfleger, Gärtner oder Handwerker bleiben während der Schliessung im Einsatz. Schliesslich müssen die Tiere weiterhin versorgt und ihre Gehege erhalten werden.
Im Winter müssen wir die Tierhäuser heizen, wodurch hohe Energiekosten entstehen. Hinzu kommen Kosten für die Nahrung und tierärztliche Versorgung der Tiere und so weiter. In all diesen Bereichen können wir nicht sparen – die Versorgung der Tiere steht für uns weiterhin an erster Stelle.
BLICK: Wie bringen Sie den Menschen die Tiere aus der Distanz näher?
Severin Dressen: Wir haben diverse Live-Webcams installiert, damit Zoo-Fans die Tiere von zu Hause aus jeder Zeit beobachten können. Ausserdem sind wir auf unseren Social-Media-Kanälen aktiv. Für Kinder bieten wir Bastelanleitungen, Aufgabenblätter und Spielideen auf unserer Webseite zoo.ch/dihei an.
BLICK: Freuen sich manche Tiere über den hohen Schnee?
Severin Dressen: Einige Tiere geniessen den Schnee. Er bietet Abwechslung. Vor allem Jungtiere spielen und toben in den Schneemassen, wie die Elefanten und das kleine Nashorn Ushindi.
BLICK: Und welche Tiere mögen den Schnee nicht?
Severin Dressen: Viele Tiere stehen dem Schnee neutral gegenüber, so beispielsweise der sibirische Tiger, der Wolf oder etliche Huftiere wie das Alpaka. Sie sind an die kalten Temperaturen und die Schneemassen angepasst. Allerdings schränkt sie der Tiefschnee in ihrer Bewegungsfreiheit ein, was sie möglicherweise als störend empfinden.
Problematisch sind die eisigen Temperaturen beispielsweise für Koalas. Sie dürfen momentan in ihrem mollig warmen Innengehege bleiben. Glatter, eisiger Boden ist für Giraffen gefährlich. Bei einem Sturz könnten sie sich schwere Verletzungen wie Knochenbrüche zuziehen. Deswegen ist in der Lewa Savanne zur Zeit lediglich der Vorplatz vor den Innengehegen für die Tiere zugänglich.
BLICK: Waren einige Gehege aufgrund der Schneemassen vorübergehend nicht mehr bewohnbar?
Severin Dressen: Zum Glück gab es an den Gehegen keine schweren Schäden. Allerdings ist wie vielerorts die Vegetation innerhalb und ausserhalb der Gehege beeinträchtigt. Einige Bäume konnten den Schneemassen leider nicht standhalten und die Schäden an Büschen und weiteren Pflanzen werden wir erst nach dem grossen Schnee einschätzen können.
BLICK: Können Sie bereits etwas über den Entwicklungsplan 2050 erzählen?
Severin Dressen: Zwischen dem Elefantenpark und dem Masoala Regenwald soll eine Kongo-Anlage entstehen, in welche unter anderem die Gorillas ziehen werden. An der Stelle des Menschenaffenhauses wird zukünftig eine Anlage für die Tiere Südostasiens entstehen – natürlich mit unseren Orang-Utans.
Auch an anderen Stellen im Zoo planen wir in den nächsten Jahrzehnten noch spannende neue Anlagen. Das Zoo-Team macht da gerade in der Entwicklungsphase einen tollen Job. Ich freue mich schon sehr darauf, diese Ideen im Herbst dieses Jahres der Öffentlichkeit vorzustellen. (zbc)
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
-
Push aktivieren – keine Show verpassen
-
Jetzt downloaden und loslegen!
-
Live mitquizzen und gewinnen
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
-
Push aktivieren – keine Show verpassen
-
Jetzt downloaden und loslegen!
-
Live mitquizzen und gewinnen