Seine Tür öffnet Adrian Rösselet (63) nicht jedem. Klingel, Gegensprechanlage, Kamera – der Uhrenhändler schaut genau, wen er in seine Bijouterie an der Ägeristrasse in Zug lässt. «Es kam schon mehrfach vor, dass ich die Tür nicht geöffnet habe, weil die potenziellen Kunden mir komisch vorkamen», sagt er. Mit diesem Modell ist er 36 Jahre gut gefahren – bis vor zwei Tagen. Da wurde der Uhrenhändler von drei Unbekannten brutal überfallen. «Ich fiel auf den feinen Anzug rein», sagt Rösselet.
«Da hatte mich der eine schon am Hals gepackt»
Dienstag, 14.30 Uhr. Adrian Rösselet ist allein in seinem Geschäft, als es klingelt: «Ein junger Mann, modisch angezogen mit Anzug und Krawatte.» Der Inhaber geht zur Tür, steckt den Schlüssel ins Schloss – da entdeckt er, dass sich neben dem gut gekleideten Mann zwei weitere verstecken. Zu spät. «Da hatte mich der eine schon am Hals gepackt und ins Geschäft gedrängt», sagt Rösselet. Die drei sind unmaskiert, zerren ihn in den hinteren Bereich des Ladens, bedrohen ihr Opfer mit einer Schusswaffe, zwingen es auf die Knie. Rösselet: «Dann haben sie mich gefesselt und mir Klebeband über den Mund geklebt. Ich bekam Panik, weil ich wegen einer Erkältung schlecht atmen konnte.»
Trotzdem bleibt der Ladenbesitzer ruhig. «Die Polizei meinte, wenn ich mich anders verhalten hätte, wären die Täter möglicherweise noch brutaler vorgegangen.» In gebrochenem Englisch fordern die Räuber die Schlüssel für die Vitrinen. «Ich vermute, dass sie aus Osteuropa kommen», sagt Rösselet. Einer läuft mit einer Axt durch das Geschäft. Ihre Beute: 30 bis 40 Uhren der Luxusmarken Rolex, Breitling und Ulysse Nardin. Der genaue Wert ist noch nicht bekannt.
Mit Tränengas attackiert
Nach knapp vier Minuten ist alles vorbei. Bevor die Männer im Alter von etwa 20 bis 25 Jahren fliehen, sprühen sie ihrem Opfer Tränengas ins Gesicht. Mit viel Kraft kann Rösselet sich von den Fesseln an seinen Beinen befreien. «Ich bin aus dem Laden gerannt. Ein Buschauffeur hielt an und half mir, mich vom Klebeband zu befreien.»
Trotz des raschen Einsatzes von Bluthund Leeroy und der Veröffentlichung von Fahndungsfotos, hat die Polizei die Täter noch nicht geschnappt. Bilder der Männer gibt es dank der Überwachungskamera im Laden genug: Sie machten sich nicht einmal die Mühe, sich zu maskieren. «Dieses Phänomen von besonders dreistem Verhalten beobachten wir immer wieder», sagt der Zuger Polizeisprecher Marcel Schlatter. «Man kann davon ausgehen, dass die Täter aus dem Ausland kommen.» Die Polizei hofft nun auf Hinweise von Zeugen.