Urner Justizkrimi um Urner Bordell-Besitzer Ignaz W.
«Die Staatsanwaltschaft trickste und log!»

Ab heute tagt das Urner Obergericht erneut zum Fall Ignaz W. Grund sind 700 Seiten Akten über einen verurteilten Drogendealer aus Holland. Die Staatsanwaltschaft habe verhindert, dass dieser noch einmal befragt werden konnte.
Publiziert: 22.02.2016 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:36 Uhr
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Experten des Forensischen Instituts Zürich untersuchen im Auftrag des Obergerichts Uri mit einem gerichtlichen Augenschein den Tatort mit Schussrekonstruktion im Fall des Erstfelder Barbetreibers. Dieser ist des versuchten Mordes und der versuchten vorsätzlichen Toetung angeklagt.
Foto: Keystone/Urs Flueeler
Gabriela Battaglia

«Die Staatsanwaltschaft trickste und log.» Mit diesen Vorwürfen eröffnete Ignaz W.s Verteidiger Linus Jäggi heute seine Ausführungen. Die Strafbehörden hätten bewusst verhindert, dass ein wichtiger Zeuge noch einmal einvernommen wurde, so sein Vorwurf. Schlimmer: Anwalt Jäggi ist überzeugt, dass «jemand seine schützende Hand über den Zeugen hielt.» Sein Mandant müsse freigesprochen werden.

Damit geht der Endlos-Thriller um den Mordanschlag in die nächste Runde. Bordell-Besitzer Ignaz W. (47) steht erneut bis Mittwoch vor dem Urner Obergericht. Ignaz W. soll im November 2010 einen Auftragskiller auf seine Ex-Frau Nataliya K. (37) angesetzt haben. Zehn Monate zuvor soll er zudem auf einen holländischen Gast geschossen haben (BLICK berichtete). 

Im Oktober 2012 verurteilte das Urner Landgericht Ignaz W. und den Komplizen Sasa S.* (27) zu zehn respektive achteinhalb Jahren Knast. Der Kroate Sasa S. akzeptierte das Urteil. Ignaz W. legte Berufung ein.

Im Herbst 2013 erhöhte das Urner Obergericht die Gefängnisstrafe auf 15 Jahre. Aber: das Bundesgericht hiess im Dezember 2014 eine Beschwerde gegen diese Urteil in zwei Punkten gut. Beide betreffen die Schussabgabe auf den Gast, das erste Delikt. Damit wiesen die Lausanner Richter das gesamte Urteil zurück. 

Wollen Freispruch: Ignaz W. (r.) und sein Verteidiger.
Foto: Niklaus Waechter

Das Berufungsverfahren fand im letzten Oktober statt. Ignaz W. hatte dabei das letzte Wort. Doch dann entschied das Obergericht, dass das Beweisverfahren wieder aufgenommen werden muss. Jetzt geht es vor allem um Johannes P. (†54). Der Holländer gilt als Hauptbelastungszeuge bei der Schussabgabe. 

Johannes P. hatte am 4. Januar 2010 2,58 Promille Alkohol im Blut, als er die Polizei anrief und sagte, Ignaz W. habe auf ihn geschossen. Auch einen Tag später war der Ex-Fremdenlegionär nicht von seiner Aussage abgewichen. Ignaz W. hingegen behauptet bis heute, Johannes P. habe sich kurz darauf bei ihm entschuldigt und gesagt, die Urner Polizei habe ihn unter Druck gesetzt.

In Frankreich als Drogendealer verurteilt

Das Bundesgericht verlangte, das Obergericht Uri müsse zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um den Holländer nochmals zu befragen. Doch dazu kam es nicht mehr: Johannes P. starb im letzten August in Frankreich eines natürlichen Todes.

Die Urner Polizei hatte Johannes P. 2010 ein paar Monate nach der Schussabgabe in Zusammenhang mit einer Lieferung von acht Kilo Speed selber verhaftet. In seinem Zimmer in einer Pension in Flüelen UR stellte die Polizei auch 6500 Euro in Bar, vier Handys und Notizen zu Drogenlieferungen sicher.

Die Urner Staatsanwaltschaft stellte 2011 das Strafverfahren gegen den Holländer mangels Beweisen ein. Johannes P. erhielt eine Genugtuung von 5600 Franken. In Frankreich wurde er später als Drogenhändler verurteilt.

Konkret sind jetzt den Prozess-Parteien rund 700 Seiten Akten zu Johannes P. zugestellt worden. Ob daraus neue Erkenntnisse oder Beweisanträge resultieren, zeigt sich diese Woche. Mit einem neuen Urteil im Fall Ignaz W. ist frühestens im Frühling zu rechnen.

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