SVP verhindert im Entlebuch mit Flugblatt Einbürgerung
Keinen Schweizer Pass wegen Männerbesuch?

Heute entscheiden die Einwohner von Escholzmatt-Marbach LU über eine Einbürgerung. Ein Flugblatt der örtlichen SVP warnt mit diversen Vorwürfen vor einer Kenianerin. Der Gemeindepräsident hält dagegen.
Publiziert: 02.12.2016 um 15:35 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:36 Uhr
Nach einer Flugblattaktion verzichtet in Escholzmatt-Marbach LU eine Kenianerin auf den Schweizer Pass.
Foto: Keystone

Die Einwohner von Escholzmatt-Marbach LU staunten, als in ihren Briefkästen ein Flugblatt der örtlichen SVP auftauchte. Die Verfasser riefen darin auf, die Einbürgerung einer Kenianerin an der heutigen Gemeindeversammlung abzulehnen, wie die «Luzerner Zeitung» publik machte. Grund: Fehlverhalten und charakterliche Defizite.

Damit widerspricht die Partei vehement der Einbürgerungskommission. In der Botschaft zur Gemeindeversammlung schreibt diese, dass alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien.

Die Verständigung mit der Frau sei «sehr gut», «sie versteht die deutsche Sprache sowie auch die Mundart bestens», nur ihre Aussprache sei schwer verständlich. Der Bericht bezeichnet die Kenianerin als integriert, mit den örtlichen Lebensgewohnheiten und Sitten vertraut.

Prostitution und alkoholkrank

Anders klingt es auf dem Flugblatt der SVP. Die Frau habe sich «mehrmals unsittlich und anstössig in der Öffentlichkeit benommen». Es sei auch «allgemein bekannt», dass sie «zu jeder Tages- und Nachtzeit männliche Besucher empfängt».

Aufgrund der «Machenschaften» der Frau und ihrer Besucher sei die Polizei wiederholt vorstellig geworden. Weiter sei es «offensichtlich», dass die Frau «sehr viel Alkohol konsumiert». Die «Luzerner Zeitung» liest zwischen den Flyer-Zeilen, dass die Frau eine Prostituierte und alkoholkrank sei.

Auf das Flugblatt angesprochen, will der Päsident der SVP-Ortssektion, Fritz Gerber, nicht von Hetze sprechen. «Der Gemeinderat hat die Bevölkerung jedoch nicht korrekt über die Gesuchstellerin informiert. Deshalb mussten wir dies übernehmen.»

Gesuch zurückgezogen

Gemeindepräsident Fritz Lötscher hält in der «Luzerner Zeitung» dagegen. «Tatsache ist, dass kein Strafregistereintrag besteht und die Frau auch die anderen Voraussetzungen für eine positive Beurteilung erfüllte.»

Das Flugblatt hat seine Wirkung nicht verfehlt, die Kenianerin hat ihr Einbürgerungsgesuch zurückgezogen. «Es hat doch keinen Sinn mehr», erklärt sie gegenüber der Zeitung. Die Aussicht, sich in gebrochenem Deutsch alleine vor versammelter Gemeinde verteidigen zu müssen, sei zu viel für sie.

Sie weist alle Anschuldigungen vehement zurück. Strafanzeige werde sie jedoch nicht einreichen: «Ich habe Angst, dass man mich dann noch mehr hassen würde.»

Die JUSO Luzern zeigt sich in einer Medienmitteilung empört: «Was die SVP hier macht ist Rufschädigung», so Yannick Gauch, Präsident der JUSO Kanton Luzern. Die JUSO Luzern erwarte, dass sich Sektionspräsident der örtlichen SVP, Fritz Gerber, persönlich bei der Frau entschuldige und öffentlich sein  Fehlverhalten zugebe. Sollte Gerber das bis Montag Mittag nicht getan haben, wolle die JUSO Luzern ein Strafverfahren wegen Ehrverletzung und Rufschädigung prüfen und gegebenenfalls sofort einleiten.(shu)

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