So kam es zum Verbot der Fasnachtsmesse
Grösster Scharfmacher ist ein Sektenmitglied

Die Schwyzer Fasnächtler sind sauer auf Bischof Huonder. Der liess sich einen Floh ins Ohr setzen – unter anderem von einem Sektenmitglied.
Publiziert: 13.02.2010 um 21:26 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:25 Uhr
Kirchenverbot: Die Guggenmusik Rampassä muss ­draussen bleiben.
Foto: Michael Würtenberg
Von Silvana Guanziroli

Es hätte eine schöne Messe werden sollen heute Abend in der Kirche St. Martin mitten in Schwyz: mit farbenfrohen Kostümen, traditionellen Gewändern und einer Guggenmusik. Hätte ... Denn Bischof Vitus Huonder (67) hat den Narrenzug in die Kirche gestoppt und die Guggen vor die Tür gesetzt.

Auslöser für das bischöfliche Verbot waren Beschwerden aus der Bevölkerung. «Uns haben zahlreiche Briefe erreicht. Die Verfasser gaben darin ihre ablehnende Haltung zum Ausdruck», sagt Bischofsvikar Christoph Casetti (66).

Pfarrer Reto Müller (58) und Remo Hicklin (33), Präsident der Fasnachtsgesellschaft Schwyzer Nüssler, relativieren: «Wir wissen von einigen wenigen Briefen. Und die kamen von Leuten, die bei der ersten Fasnachtsmesse vor einem Jahr gar nicht dabei waren.»

Einer der Anschwärzer ist der pensionierte Bäckermeister Franz Fassbind (79) aus Arth SZ. «Ja, ich habe dem Bischof einen Brief geschrieben», bestätigt er. In der Zeitung habe er die Bilder der letztjährigen Fasnachtsmesse gesehen. «Das gehört sich einfach nicht. In der Kirche hat das Fasnachtsgaudi nichts verloren. Der Kirchenraum ist geheiligt und gehört allein dem Herrn.» Das bischöfliche Verbot empfindet der Innerschwyzer deshalb als absolut richtig.

Fragt sich nur, weshalb sich Franz Fassbind überhaupt noch für die katholische Kirche interessiert. Der Bäcker ist vor Jahren ausgetreten und jetzt Anhänger der St. Michaelsvereinigung – einer umstrittenen Sekte, die schon mit Weltuntergangs-Prophezeiungen für Furore sorgte. Beheimatet ist sie im 500-Seelen-Dorf Dozwil TG (siehe Box). «Ich bin stolz darauf, dieser Vereinigung anzugehören. Die Messen in unserer Kirche in Dozwil sind einzigartig», so Fassbind.

Die Schwyzer Fasnächtler können nur den Kopf schütteln. Wenn sie es nicht besser wüssten, würden sie denken, das sei ein lustiger Fasnachtswitz. Nüssler-Präsident Remo Hicklin: «Unglaublich! Da mischt sich einer ein, der gar nicht mehr in der Kirche ist. Und der Bischof hört auch noch auf ihn.»

In Schwyz fragt man sich nun: Was hat denn der Kirchenführer mit der Dozwiler Sekte am Hut? «Dieser Mann hat uns einen Brief geschrieben, das ist richtig. Aber wir befürworten diese Vereinigung nicht», erklärt Bischofsvikar Christoph Casetti. «Der Hintergrund dieser Person spielt für uns keine Rolle. Uns geht es um die Sache.»

Und da will das Bistum Chur hart bleiben. Für Guggen und Fasnachtsmasken gilt der Kirchenbann.

In Schwyz will man heute Abend dagegen protestieren. «Die Mehrzahl der Kirchgänger kommt in Fasnachtsgewändern», verrät Hicklin. Zudem wird eine fasnächtliche Predigt gelesen. Der Organist hat mit einem Tambour den Narrentanz eingeübt. Daran dürfte der Gesandte des Bistums keine Freude haben. Casetti: «Wahrscheinlich wird eine Vertretung des Bistums an der Messe teilnehmen.»

Sie prophezeiten den Weltuntergang und Ufos
Vor 22 Jahren war die St. Michaelsvereinigung schweizweit in aller Munde. Ihr Oberhaupt Paul Kuhn († 82), genannt Paulus, verkündete eine «Zeit der Dunkelheit und der Bedrängnis». Für den Muttertag 1988 prophezeite er eine Sensation: Ein silbernes Raumschiff werde landen und die Kinder seiner Anhänger aus den Klauen der Skorpione retten. Das Raumschiff kam nicht, stattdessen gab es Krawalle. Sektengegner randalierten in Dozwil TG, wo die Glaubensgemeinschaft ihren Sitz hat. Heute wird sie auf ungefähr 3000 Mitglieder geschätzt. Diese gelten als fundamentalistisch-konservativ. Bei vielen handelt es sich um aus der Kirche ausgetretene Katholiken.
Vor 22 Jahren war die St. Michaelsvereinigung schweizweit in aller Munde. Ihr Oberhaupt Paul Kuhn († 82), genannt Paulus, verkündete eine «Zeit der Dunkelheit und der Bedrängnis». Für den Muttertag 1988 prophezeite er eine Sensation: Ein silbernes Raumschiff werde landen und die Kinder seiner Anhänger aus den Klauen der Skorpione retten. Das Raumschiff kam nicht, stattdessen gab es Krawalle. Sektengegner randalierten in Dozwil TG, wo die Glaubensgemeinschaft ihren Sitz hat. Heute wird sie auf ungefähr 3000 Mitglieder geschätzt. Diese gelten als fundamentalistisch-konservativ. Bei vielen handelt es sich um aus der Kirche ausgetretene Katholiken.
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