Nico Schmid (23) schaut positiv in die Zukunft
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Nach langer Reha:Nico Schmid (23) schaut positiv in die Zukunft

Nico Schmid (23) ist nach einem Köpfler in den Rotsee bei Luzern querschnittgelähmt
«Meine Freunde haben mir das Leben gerettet»

Nico Schmid (23) stand mitten im Leben. Doch dann machte der Zentralschweizer einen Kopfsprung in den Rotsee bei Luzern. Mit verheerenden Folgen: Querschnittlähmung. Doch der gelernte Zimmermann kämpft sich zurück ins Leben. Und warnt nun andere junge Menschen.
Publiziert: 07.07.2021 um 01:13 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2021 um 07:23 Uhr
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Nico Schmid (23) auf der Terrasse des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) in Nottwil LU: «Ich werde nie wieder gehen können.»
Foto: Schweizer Paraplegiker-Stiftung
Ralph Donghi

Nico Schmid (23) sitzt im Rollstuhl. Auf der Terrasse des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) in Nottwil LU. Sein ruhiger, gefasster Blick schweift auf den Sempachersee. «Ich bin ab dem 5. Halswirbel gelähmt», sagt er. Heisst: Er ist querschnittgelähmt. Ein Tetraplegiker. «Es sind alle vier Gliedmassen betroffen – also beide Beine und Arme.» Und, so Schmid: «Ich werde nie wieder gehen können.»

Der Unfall passiert Ende Juni 2020. Schmid erinnert sich noch gut an jenen Nachmittag, als er mit Kollegen an den Rotsee bei Luzern ging. «Wir sind baden gegangen», erzählt er. Damals steht der gelernte Zimmermann aus der Zentralschweiz mitten im Leben, spielt leidenschaftlich Volleyball. Und freut sich auf all das, was noch kommen soll in seinem Leben.

Bei zwei Kollegen ging zuerst alles gut

Doch dann passiert es. «An der Stelle, wo ich später auch reingesprungen bin, sprang zuerst ein Kollege rein. Mit den Füssen voran», so Schmid. «Als wäre nichts gewesen, ist er wieder aufgetaucht.» Auch ein zweiter Kollege sei reingehüpft, kopfvoran. Auch er tauchte wieder auf. «Dann bin ich reingesprungen – und nicht mehr aufgetaucht.»

Ein Drama: Nico Schmid schlug mit dem Kopf auf einen Stein auf und war sofort bewusstlos. «Ich kann mich nicht mehr an den Unfall erinnern», sagt er heute. «Ich bin aber sehr dankbar, dass meine Freunde sofort richtig reagiert und mir dadurch das Leben gerettet haben.» Schmid erfährt erst viel später, dass sie ihn sofort im Wasser gesucht, aus dem See gezogen und mit der Herzdruckmassage begonnen haben – bis die Ambulanz eingetroffen ist und ihn in ein Spital gebracht hat. Schmid muss operiert werden und liegt zwei Tage lang im Koma.

Arme und Beine nicht mehr gespürt

Dann wacht er auf. «Ich habe schnell gemerkt, dass mit meinem Körper etwas nicht mehr so richtig ist», sagt er. Er spürt seine Arme und Beine nicht mehr. Weil von Anfang an Ärzte bei ihm gewesen seien, die mit ihm geredet hätten, «wusste ich sofort, wo ich war». Er sei in dem Moment auf eine gewisse Art einfach froh gewesen, dass er noch da war, lebte und «ich auch die Leute um mich herum erkannte». Dies sei schon mal positiv gewesen.

Doch schon bald kommt Angst und Unsicherheit auf. «Weil man nicht weiss, was auf einen zukommt.» Man merke, dass man in einer neuen Lebenssituation sei und sich noch nie damit befasst habe, was es bedeute, querschnittgelähmt zu sein. Schmid hilft in dieser schwierigen Zeit die gute Betreuung.

Elf Monate lang Therapie im SPZ

Schon bald begann für ihn eine tägliche Therapie im SPZ Nottwil – über elf Monate hinweg. «Die Zeit ist fast durchgehend sehr schnell vorbeigegangen», sagt Schmid. Klar, er habe auch ein, zwei Mal überlegt, ob er noch leben wolle. Aber dann habe er gleich wieder an all die Leute um ihn herum gedacht, «die mich vielleicht brauchen». Da habe er gewusst: «Ich will weitermachen.»

Mit Erfolg: Ende Mai dieses Jahres konnte Schmid seinen Reha-Aufenthalt im SPZ beenden. Er wohnt jetzt in einer Para-WG in Schenkon LU. «Ich brauche noch Hilfe bei vielen alltäglichen Sachen wie etwa dem Transfer vom Bett in den Rollstuhl.» Er freue sich aber über alle die kleinen Dinge, die er wieder alleine machen könne. «Ein grosses Highlight war, als ich wieder alleine essen konnte.» Derzeit sind seine Tage noch immer mit vielen Therapien ausgefüllt. «Es geht für mich zuerst Mal darum, meinen neuen Alltag zu meistern.»

Nico Schmid schaut positiv in die Zukunft

Schmid vermisst natürlich, dass er nicht mehr Volleyball spielen kann. Aber: «Es gibt ganz viele andere Sportarten, die ich sicher ausprobieren werde.» Und er freue sich vor allem auf eines: «Wenn ich wieder Auto fahren kann und so ein Stück mehr Freiheit habe.»

Jetzt, da er nicht mehr alles machen könne, sei er froh und dankbar für alles, was er gemacht und erlebt habe. «Mir hat es geholfen, dass ich sagen kann, dass ich zufrieden bin mit dem Leben, wie ich es bisher gelebt und gestaltet habe. So kann ich auch positiv in die Zukunft schauen.» Aber einen Tipp will er dann doch noch loswerden: «Schau immer gut hin, bevor du irgendwo ins Wasser springst!»

40 Fälle in neun Jahren

Jedes Jahr verletzen sich in der Schweiz im Sommer junge Erwachsene bei einem Köpfler ins Wasser. Die Verletzungen können so gravierend sein, dass sie mit einer Tetraplegie enden. Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil LU behandelte in den letzten neun Jahren 40 meist junge Menschen, die bei solchen Badeunfällen eine Querschnittlähmung erlitten. «Jeder einzelne Fall ist einer zu viel», sagt Anke Scheel-Sailer, Leitende Ärztin Paraplegiologie am SPZ. «Im Vergleich zu einer Paraplegie sind bei einer Tetraplegie auch die Arme von der Lähmung betroffen.»

In den vergangenen zwei Jahren verzeichnete das SPZ einen Anstieg von Patienten, die aufgrund eines Badeunfalls querschnittgelähmt sind. Auch für die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) ist jeder Badeunfall einer zu viel. Kommunikationsleiter Philipp Binaghi: «Einige dieser Unfälle könnten vermieden werden, indem man nicht in trübes oder unbekanntes Gewässer springt und die SLRG-Baderegeln befolgt.» Um junge Menschen dafür zu sensibilisieren, führt die SLRG auch dieses Jahr wieder eine Präventionskampagne zur Wassersicherheit durch.

Nathalie Taiana

Jedes Jahr verletzen sich in der Schweiz im Sommer junge Erwachsene bei einem Köpfler ins Wasser. Die Verletzungen können so gravierend sein, dass sie mit einer Tetraplegie enden. Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil LU behandelte in den letzten neun Jahren 40 meist junge Menschen, die bei solchen Badeunfällen eine Querschnittlähmung erlitten. «Jeder einzelne Fall ist einer zu viel», sagt Anke Scheel-Sailer, Leitende Ärztin Paraplegiologie am SPZ. «Im Vergleich zu einer Paraplegie sind bei einer Tetraplegie auch die Arme von der Lähmung betroffen.»

In den vergangenen zwei Jahren verzeichnete das SPZ einen Anstieg von Patienten, die aufgrund eines Badeunfalls querschnittgelähmt sind. Auch für die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) ist jeder Badeunfall einer zu viel. Kommunikationsleiter Philipp Binaghi: «Einige dieser Unfälle könnten vermieden werden, indem man nicht in trübes oder unbekanntes Gewässer springt und die SLRG-Baderegeln befolgt.» Um junge Menschen dafür zu sensibilisieren, führt die SLRG auch dieses Jahr wieder eine Präventionskampagne zur Wassersicherheit durch.


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