BLICK: Wie haben Sie diese Nacht, nach dem Rangierunfall der Matterhorn Gotthard Bahn am Montag, geschlafen?
Jan Bärwalde: Man versucht, solche Ereignisse nicht zu nahe an sich ranzulassen. Aber natürlich betrifft es einen, insbesondere wenn Kinder involviert sind und man selber auch Kinder hat. Das Thema Sicherheit hat bei der MGBahn oberste Priorität, umso mehr beschäftigen uns solche Vorfälle und deren
Ursachen.
Wieso hat der Lokführer nicht gesehen, dass er auf demselben Gleis wieder zurückfährt und auf die Waggons zusteuert?
Der Lokführer ist, wie immer bei diesem alltäglichen Rangiermanöver, rückwärts gefahren. Er kann nicht sehen, was hinter ihm ist. Es gibt keine Fenster, wie bei einem Auto die Heckscheibe. Selbst wenn der Lokführer gemerkt hätte, dass er immer noch auf demselben Gleis fährt – so schnell hätte er gar nicht reagieren können. Es ist fast unmöglich, in so kurzer Zeit zu stoppen. Denn die Weiche liegt nur etwa zehn Meter von der Stelle entfernt, wo gestern der erste Wagen stand.
Sie sagen, es sei ein alltägliches Rangiermanöver gewesen. Wieso passierte dann trotzdem der Unfall?
Wo genau der Fehler beim Unfall am Montag passiert ist, gehört zu den Untersuchungen. Eine Frage ist sicher: Wurde die Weiche gestellt oder nicht? Im Normalfall funktioniert dieses Rangiermanöver, in das drei Personen involviert sind, so: In der Zentrale stellt der Fahrdienstleiter die Weiche elektronisch, per Mausklick, und gibt die Information dem Rangierleiter weiter. Der überprüft dann vor Ort, ob die Weiche tatsächlich umgestellt wurde. Wenn der Rangierleiter die Weichenumstellung überprüft hat, gibt er dem Lokführer das Okay zum Losfahren. Der Rangierleiter ist für das gesamte Manöver verantwortlich – von der Einleitung bis zur Ausführung.
Und was macht der Rangierleiter, wenn der Lokführer losfährt? Verlässt er den Platz oder nicht?
Es ist die Verantwortung des Rangierleiters, diesen Vorgang zu überwachen.
Die Passagiere betraten den Zug, als es zum Unfall kam. Warum werden diese Rangiervorgänge nicht mit leeren Zügen vorgenommen?
Wir halten uns an die Vorschriften der Behörden. Wir haben einen straffen Fahrplan und halten uns auch daran. Der Zug kam um 11.19 Uhr im Bahnhof Andermatt an und musste um 11.28 Uhr wieder losfahren. Innert neun Minuten wird die Lok umgestellt. Das ist Routine – weltweit ein Standardmanöver in Bahnhöfen.
Das ist jetzt der dritte Unfall in Folge in einem Jahr. Wie erklären Sie sich die Häufung?
Das ist eine Aneinanderreihung von unglücklichen Ereignissen. Aber der gestrige Unfall ist mit den anderen beiden Unfällen gar nicht vergleichbar. Bei diesem Ereignis wurde das Manöver begleitet und beobachtet. Bei den anderen Unfällen haben sich die Rangierkompositionen alleine gelöst, waren führerlos, und die Schwachstelle lag bei den Bremsen. Die Züge hätten nicht wegrollen dürfen, diesmal sollte ja gefahren werden.
Muss die MGBahn selber für den Schaden aufkommen?
Ob die MGBahn schuld am Unfall ist, ist Gegenstand der Ermittlungen. Die Schuldfrage ist bei jedem Unfall neu zu klären. Ob die Versicherung oder die MGBahn für den Schaden aufkommen muss, gehört zur Ermittlung.
Wie hoch ist der Sachschaden?
Die Höhe des verursachten Schadens muss noch beziffert werden. Das wird jetzt untersucht. Rein äusserlich wurden weder die Lok noch die Waggons beschädigt. Der Aufprall konnte durch die zwei vorderen Puffer abgefangen werden. Ob es einen Schaden gibt, kann man nicht immer auf den ersten Blick sehen.
Haben Sie Angst um dem Ruf der MGBahn?
Ich denke, dass die MGBahn eine gute Reputation hat. Sie gilt als sicheres Bahnunternehmen und wird trotz der Unfälle, die jetzt untersucht werden, ein sicheres Unternehmen bleiben. Wir sind sicher, dass man unsere Züge mit gutem Gewissen besteigen kann. Was man aber im Hinterkopf behalten soll, ist, dass wir im hochalpinen Gelände mit Naturgefahren konfrontiert sind. Unternehmen im Flachland sind das nicht. Unser oberstes Gebot ist immer die Sicherheit. Aber Fehler lassen sich nicht ausschliessen. Wichtig ist, dass man immer daraus lernt und Risiken minimiert.