Experte spricht von «digitaler Massenkriminalität»
Betrüger klauen massenweise Schweizer Identitäten

Identitätsdiebstähle sind in der Schweiz weit verbreitet. Es trifft die ganze Bandbreite an berühmten Persönlichkeiten. Doch nicht nur bekannte Persönlichkeiten werden Opfer. Eine neue Auswertung zeigt: In einem Jahr wurden über 1000 Identitätsdiebstähle angezeigt.
Publiziert: 09.09.2024 um 20:43 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2024 um 09:22 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Betrüger nutzen falsche Profile für kriminelle Machenschaften
  • Cédric Wermuth wurde Opfer von Liebesbetrug durch falsche Identität
  • Über 1000 Anzeigen wegen Identitätsmissbrauch in einem Jahr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Identitätsdiebstahl ist in der ganzen Schweiz weit verbreitet.
Foto: Shutterstock
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Janine EnderliRedaktorin News

Es wird gelogen, vorgetäuscht und betrogen: Beim sogenannten Romance-Scam (zu Deutsch: Liebesbetrug) klauen Kriminelle die Fotos von berühmten Personen und ergaunern mit den falschen Profilen Geld von ahnungslosen Bürgern, indem sie ihnen Liebesbeziehung vorgaukeln. Auch SP-Co-Präsident und Nationalrat Cédric Wermuth (38) wurde kürzlich Opfer der Masche.

Eines Tages habe ihn der Chef einer Bankfiliale angerufen, weil eine Kundin 100’000 Franken überweisen wollte. Nur: Das Konto lief nicht auf Wermuths Namen, sondern auf das eines Betrügers. Die betroffene Frau fiel aus allen Wolken: Sie war der festen Überzeugung, der Politiker habe sich über den Kontakt via Social Media in sie verliebt.

Seit September 2023 können Opfer von Identitätsbetrug das Delikt anzeigen. Eine Auswertung des «Tages-Anzeigers» zeigt: Nicht nur Prominente sind davon betroffen. In einem Jahr gingen weit über 1000 Anzeigen wegen Identitätsmissbrauchs ein.

Folgende Aufteilung zwischen den Kantonen legt die Auswertung offen:

  • Genf: 559 Anzeigen
  • St. Gallen: 532 Anzeigen
  • Aargau: 306 Anzeigen
  • Thurgau: 280 Anzeigen
  • Zürich: 176 Anzeigen (bis Ende 2023)

Mit fremder Identität plündern Betrüger Onlineshops

Weniger als 700 Fälle gingen dabei ausschliesslich auf Liebesbetrug zurück. Viel üblicher: Betrüger nutzen die fremde Identität, um Onlinebestellungen zu tätigen. Die Gauner gönnen sich unter falschem Namen teure Schuhe, Klamotten und sogar Smartphones. Der Trick funktioniert so: Die Betrüger bestellen die Ware unter fremden Namen, verfolgen die Sendung genau mit und holen die Pakete ab, bevor der eigentliche Empfänger das Paket sieht. Für die Opfer haben die kriminellen Machenschaften unangenehme Konsequenzen: Es drohen hohe Rechnungen oder schlimmstenfalls Betreibungen.

Max Gräni, Dienstchef Kriminalprävention der Kantonspolizei Aargau, sagt gegenüber der Zeitung: «Wir hatten allein letzte Woche mehrere Fälle, wo unter falscher Identität Konten auf verschiedenen Onlineshops erstellt wurden.» Laut den Kantonen dürfte es um Deliktbeträge in Millionenhöhe gehen.

Schweizer Persönlichkeiten von dubiosen Betrügern missbraucht

Hinzu kommt: Identitäten von bekannten Persönlichkeiten werden auch genutzt, um falsche Werbung zu verbreiten. Da Politiker, Unternehmer oder Menschen aus der Eventbranche der Bevölkerung Vertrauen suggerieren, machen sich Betrüger ihre Gesichter zunutze.

Ein Beispiel: Im Frühling reichte Bundesrätin Karin Keller-Sutter (60) eine Anzeige wegen Identitätsmissbrauch ein. Cyberkriminelle versuchten durch ein gefälschtes Interview mit der Finanzministerin, Menschen auf eine Finanzinvestment-Website zu locken. Ähnliches passierte SRF-Meteo-Moderatorin Sandra Boner (49).

Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum, rät Betroffenen dazu, einen Identitätsmissbrauch anzuzeigen. «Nicht, weil man sich sonderlich viel erhoffen sollte. Aber damit wird die Menge an Fällen sichtbar. War früher Bestellbetrug hauptsächlich ein schlechter Scherz, so haben wir es heute mit digitaler Massenkriminalität zu tun.»

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