Ein Häftling klettert am vergangenen Samstag auf die Brüstung der Dachterrasse des Zuger Gefängnisses Bostadel. Eine hüfthohe Mauer, dahinter geht es elf Meter in die Tiefe. Der Mann springt. Und stirbt – Rega und Notarzt können später nur noch seinen Tod feststellen.
Jetzt, eine Woche später, ist klar: Bei dem Verstorbenen handelt es sich um Emre K.* (†41), wie der «Tagesanzeiger» berichtet. Der Türke wuchs in Basel auf, sass sein halbes Leben hinter Gitter.
Im Alter von 21 Jahren, am Abend des 3. Februar 1999, hatte er seine grosse Schwester erstochen. Ihr Sohn, damals vier Jahre alt, musste die Bluttat mitansehen. Das Gericht verurteilte Emre K. schliesslich zu zehn Jahren Zuchthaus. 2014 trat eine ordentliche Verwahrung in Kraft.
Er bekam keinen Therapieplatz
Nach einem Suizidversuch im Jahr 2017 wurde er in die Psychiatrie verlegt. Dann wieder zurück nach Bostadel. «Jeder sah, dass er krank war», sagt ein Mitgefangener dem «Tagesanzeiger». Mehrmals habe er gegenüber der Gefängnisleitung gefordert, zurück in die Psychiatrie zu dürfen.
Eigentlich hätten Verwahrte in der Schweiz Anspruch auf «eine adäquate psychiatrische Behandlung». So auch Emre K. – doch die Plätze sind knapp. Der 41-Jährige bekam keinen. Jetzt ist er tot.
Brisant: K. ist nicht der einzige Verwahrte in Bostadel, der nicht mehr Leben will. Erst im vergangenen Herbst äusserte der Serien-Vergewaltiger Peter Vogt (68) seinen Sterbewunsch (BLICK berichtete). Er wolle mithilfe von Exit sein Dasein beenden. Genau wie vier Bekannte von ihm, die «auf dem gleichen Weg» seien.
Bis Herbst 2019 sollte Lösung vorliegen
Mit seiner Forderung löste Vogt heftige Diskussionen aus – und stellte die Behörden vor ein Dilemma: Es gibt nämlich keine gesetzliche Grundlage, die definiert, ob Verwahrte Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfen.
Diese muss nun geschaffen werden. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Straf- und Justizvollzug erarbeitet zurzeit Empfehlungen, wie man mit solchen Forderungen in Zukunft umgehen soll. Im Herbst 2019 sollte der Bericht vorliegen.
Klar ist schon mal: Wenn der Strafvollzug das Motiv für den attestierten Suizid ist, müssen die Behörden dem Gefangenen Alternativen aufzeigen. Sie können ihm dann nicht einfach Sterbehilfe gewähren. Viel mehr soll er psychisch behandelt werden. Das hätte wohl auch Emre K. das Leben gerettet. (hah)
* Name geändert
• Die Dargebotene Hand, Telefon 143 und Onlineberatung, Schweigepflicht; anonym und kostenlos, www.143.ch
• Klartext (Anlaufstelle für Fragen rund um den Suizid): erstes Beratungsgespräch kostenlos; 079 450 91 68
• Hausarzt oder Psychiater
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