Im Luzerner Schädrüti werden Flüchtlinge unterrichtet
Hier macht die Hoffnung Schule

Im Luzerner Schädrüti werden seit dem letzten Sommer ausschliesslich Flüchtlinge unterrichtet. BLICK besuchte das erste Asyl-Schulhaus der Schweiz.
Publiziert: 03.02.2017 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:56 Uhr
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Wissbegierig: Der Unterricht umfasst 20 Lektionen die Woche. Die Flüchtlingskinder werden in diversen Fächern geschult.
Foto: Philippe Rossier
Gregory Remez (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Von aussen sieht das Schädrüti im Luzerner Würzenbachquartier aus wie viele andere Schulhäuser auch. Doch was sich im Innern des in die Jahre gekommenen Betonbaus abspielt, ist absolut einmalig in der Schweiz: Seit Mitte 2016 werden dort ausschliesslich Flüchtlinge unterrichtet.

Brigitt Stadelmann leitet das Schulangebot des Kantons Luzern.
Foto: Philippe Rossier

Die Wiedereröffnung des Mitte 2015 geschlossenen Schulgebäudes ist die Antwort des Kantons auf die steigende Zahl jugendlicher Asylbewerber. «Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung. Unser Auftrag besteht darin, alle minderjährigen Flüchtlinge einzuschulen, die dem Kanton zugeteilt werden», sagt Brigitt Stadelmann (57), Leiterin Schulangebote Asyl Luzern.

Erster Eindruck täuscht

Mit der Umnutzung des Schädrüti glaubt der Kanton, eine Ideallösung für alle Beteiligten gefunden zu haben. Nach der Schliessung des Schulhauses, so Stadelmann, habe die Stadt Luzern ohnehin nach einer Möglichkeit gesucht, dem leerstehenden Gebäude neues Leben einzuhauchen.

Kalt und grau: Von aussen wirkt das Schädrüti-Schulhaus nicht gerade einladend.
Foto: Philippe Rossier

Nun lebt das Schädrüti also wieder. Beim Betreten des Gebäudes wird sofort klar: Der erste Eindruck täuscht. Der sanierungsbedürftige, graue Betonklotz ist innen um einiges gemütlicher als es von aussen den Anschein macht. Überall lachen gezeichnete Kinder-Porträts von den Wänden. Im Foyer erinnern Dutzende Fotos an den ersten Schultag. Aus den Zimmern dringen hin und wieder scheue Versionen von Schweizer Kinderliedern.

Zuallererst: Deutsch

56 Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Asylunterkünften der Stadt und Agglomeration Luzern gehen momentan ins Schädrüti. Unterrichtet werden die 10- bis 17-Jährigen vor allem in Deutsch, aber auch in Mathematik, im Werken und Turnen – in insgesamt 20 Lektionen pro Woche.

Lernen nicht nur Reden, sondern auch Schreiben: Flüchtlingskinder im Deutschunterricht.
Foto: Philippe Rossier

Ziel ist es, die Kinder auf den Schulbesuch in der Regelklasse der neuen Wohngemeinde vorzubereiten. Denn lange bleiben sie in der Regel nicht. «Manche gehen nur zwei Wochen ins Schädrüti, andere ein paar Monate», sagt Stadelmann. Abhängig sei dies vom Zeitpunkt, wann den Familien eine Wohnung im Kanton zugewiesen wird oder wann die Familie die Schweiz verlassen muss.

Ein Stück Normalität

Die hohe Fluktuation mache den Unterricht entsprechend schwierig, sagt Heidy Müller (58). Die Deutschlehrerin mit über 20 Jahren im interkulturellen Bereich arbeitet seit letzten Sommer. «Jederzeit kann ein neues Gesicht dazustossen. Zudem sind die Voraussetzungen der Kinder sehr unterschiedlich», sagt Müller.

Zuhören und erklären: Lehrerin Heidy Müller (58) nimmt sich Zeit für die Flüchtlingskinder.
Foto: Philippe Rossier

Die meisten hätten eine belastende Zeit hinter sich und müssten allmählich an einen geregelten Schulbetrieb herangeführt werden. «Ich erlebe aber, dass die Kinder vorwärtsorientiert sind, und dass ihre traumatische Belastung im Unterricht kaum eine Rolle spielt. Die meisten wollen lernen, würden in ihrer Situation gar am liebsten auf Ferien verzichten», sagt Müller.

Letztlich gebe ihnen das Schädrüti ein Stück Normalität zurück. «Sie haben wieder Schulgspänli, einen Schulweg. Das gibt Halt. Zumindest ein bisschen.»

«Diese Kinder brauchen einen geschützten Raum»

BLICK: Wieso haben Sie sich dazu entschlossen, Flüchtlinge zu unterrichten?
Heidy Müller (58), Lehrerin im Luzerner Schädrüti: Ich arbeite seit über 20 Jahren im interkulturellen Bereich. Daneben habe ich sowohl Primar- als auch Oberstufe an der Volksschule unterrichtet. So ist diese Tätigkeit nun eine Zusammenführung der erworbenen Kompetenzen in verschiedensten Bereichen. Das Interesse für den ganzen Asylbereich und entsprechende Weiterbildungen helfen, ein tieferes Verständnis für die Schüler zu bekommen.

Was unterscheidet die Arbeit mit Flüchtlingen vom gewöhnlichen Lehreralltag?
Wir arbeiten in relativen kleinen Gruppen von sechs bis acht, maximal zwölf Schülern. Die Schüler treten ein, kurz nachdem sie in einem Zentrum angekommen sind, also kann jederzeit wieder ein neues Gesicht dazustossen – oder jemand geht weg. Sie kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule. Ihr Rucksack mit Schulerfahrung ist sehr unterschiedlich gepackt, und sie haben sich meist in andern Schulsystemen bewegt, d.h. grosse Klassen, lehrerzentriert, anderes Alphabet, religiöse Ausrichtung usw. Sie haben eine belastende Zeit hinter sich und müssen allmählich an einen geregelten Schulbetrieb herangeführt werden.

Wie muss man sich einen solchen Unterricht vorstellen?
Der Unterricht ist sehr auf die jeweilige Gruppe zugeschnitten. Innerhalb der Gruppe wird je nach Situation in verschiedenen Tempi und Niveaus gearbeitet. Das Herunterbrechen des Schulstoffes mit Berücksichtigung vieler Voraussetzungen ist die grösste Herausforderung. Das Gruppengefühl ist mir sehr wichtig. Der Unterricht findet auf Hochdeutsch statt. Kann jemand etwas Englisch oder Französisch, ist dies hilfreich. Überhaupt ist ein erster Fremdsprachenerwerb eine enorme Erleichterung für beide Seiten, Schüler wie Lehrer. Ab und zu fliesst exemplarisch etwas Schweizerdeutsch mit ein.

Inwiefern mussten Sie Ihren Unterrichtsstil ändern?
Das Hineindenken in eher lernungewohnte Schüler ist anspruchsvoll. Der Unterricht muss gut rhythmisiert und klar aufgebaut sein. Rituale sind wichtig. Sich mit jemandem zu verständigen, ohne eine gemeinsame Sprache zu haben, erfordert viel Geschick sowie alternative Kanäle – Mimik, Gestik, Bilder. Die Lehrmittel, die auf dem Markt sind, sind ein guter Anhaltspunkt, ich passe aber vieles an und stelle vieles selber her.

Wie erreicht man der Heimat entrissene, häufig traumatisierte Kinder?
Ich erlebe seit Jahren, dass die Kinder und Jugendlichen vorwärts orientiert sind, und dass ihre traumatische Belastung im Unterricht kaum eine Rolle spielt. Sie wollen lernen. Aber die Fähigkeit zum Einordnen in eine Gruppe oder auch die Konzentration auf eine Arbeit müssen erst wieder aufgebaut werden. Auf der Flucht waren sie ja eher als Einzelkämpfer unterwegs. Wenn ein bisschen Vertrauen aufgebaut ist, erzählen sie in ruhigen Momenten von ihrem fernen Zuhause, ihrem Weg hierher und den aktuellen Sorgen, etwa um ihre Herkunftsfamilie. Hat ein Schüler massive Schwierigkeiten, die womöglich aufgrund einer Traumatisierung auftreten, wenden wir uns an Schulleitung und Fachpersonen.

Haben Sie Kontakt zu den Eltern der Kinder?
Kaum. In der internen Zentrumsschule war eine Begrüssungsfloskel möglich, man kannte sich. Hier gar nicht. Hinzu kommt, dass die Jugendlichen in meinen Unterrichtsgruppen zurzeit fast alle unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA, Anm. d. Red.) sind. Jeder Familie, jedem Jugendlichen ist im Zentrum eine Betreuungsperson zugeteilt. Diese wird via Schulleitung kontaktiert, wenn dies erforderlich ist.

Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen? Machen die Kinder Fortschritte?
Wenn man bedenkt, was die Jugendlichen für eine Lebensleistung erbringen, bin ich sehr zufrieden mit ihnen. Sie brauchen einen sicheren und geschützten Raum, um überhaupt mit dem Lernen beginnen zu können. Ich habe in den Jahren fast nur positive Erfahrungen gemacht. Der Lernerfolg kommt in kleinen, aber sichtbaren Schritten. Natürlich sind diese Schritte nicht mit gleichaltrigen Jugendlichen hierzulande vergleichbar. Da die Schüler bereits 13-16 Jahre alt sind, werden sie niemals denselben Schulabgang- und Berufswahlprozess durchlaufen können.

In welchen Fächern sind die Kinder am stärksten?
Das ist, wie in der Regelschule auch, sehr unterschiedlich. Die einen entdecken ihre Freude an der Mathematik, andere lernen die neue Sprache recht schnell und können sich verständigen. Der eine ist ein Sporttalent, andere zeigen ihre Stärken im Handwerk oder im sozialen Gefüge. Ihre Motivation ist sehr gross, das zeichnet sie aus. Die Umsetzung und Ausdauer müssen dann geübt werden. Die Schüler singen sehr gern, auch wenn ihnen die Klänge unserer Lieder zu Beginn eher fremd erscheinen. Singen und Musik gehörte in den meisten Herkunftsländern nicht zum Unterrichtsprogramm. Es öffnet Herzen.

Machen die Kinder auch fleissig ihre Hausaufgaben?
Der grösste Teil der Jugendlichen ist zuverlässig und realisiert nach kurzer Zeit, was ich von ihnen verlange. Bei andern, die die Schultasche abends in die Ecke stellen, suche ich das Gespräch mit der Betreuungsperson.

Wie gehen Sie damit um, dass die meisten Kinder nur kurz im Schädrüti bleiben?
Für mich ist das im Moment kein Thema. Die unbegleiteten Flüchtlingskinder bleiben länger – bis die Berufswahl geklärt ist. Vorher gilt es aber, Basics beizubringen, die Verständigung zu fördern und den Übergang in die Regelschule gut vorzubereiten. Eintritte und Verabschiedungen von Schülern werden mit Gruppenritualen zelebriert.

Wäre es für die Integration nicht förderlicher, wenn die Flüchtlinge mit Schweizer Kindern unterrichtet würden?
Für die Sprache und das Hineinwachsen in die Gesellschaft sicher. Unsere Schüler bekommen hier aber eine Starthilfe in einem Schonraum, sowohl sprachlich als auch Erleben und Erlernen schweizerischer Gebräuche. Ich bin überzeugt, dass diese Form der Erstbeschulung grossen Sinn macht und auch die Volksschule entlastet. Wir können etwas leisten, was eine Lehrperson in der Regelschule nicht kann, weil sie mit ihrer Regelklasse gefordert ist.

Gibt es häufiger Streit unter den Kindern als in gewöhnlichen Klassen?
Das erlebe ich gar nicht so. Es sind ganz normale Jugendliche, Pubertierende, die auch mal einen schlechten Tag haben oder Konflikte austragen müssen. Konflikte zwischen Ethnien sind ab und zu ein Thema, gehören aber nicht in die Schule und werden – je nach Sprachstand – thematisiert und dann klar aus dem Schulalltag verbannt. Das gleiche gilt für religiöse Unterschiede. Die Schüler erkennen, dass diese Themen in der Schule kaum Bedeutung haben. Mit der Zeit beginnen sie, alte Muster loszulassen und es gelingt ein friedliches Zusammenleben. 

Was versprechen Sie sich von diesem Schulkonzept?
Eine solide, schulische Grundlage und psychische Stabilität, bevor die Schüler eine Ausbildung in einem komplexeren Umfeld absolvieren. Selbstvertrauen und grundlegende Arbeitstechniken sind meiner Meinung nach wichtige Voraussetzungen für den langen Weg zu einem selbstbestimmten Leben.

BLICK: Wieso haben Sie sich dazu entschlossen, Flüchtlinge zu unterrichten?
Heidy Müller (58), Lehrerin im Luzerner Schädrüti: Ich arbeite seit über 20 Jahren im interkulturellen Bereich. Daneben habe ich sowohl Primar- als auch Oberstufe an der Volksschule unterrichtet. So ist diese Tätigkeit nun eine Zusammenführung der erworbenen Kompetenzen in verschiedensten Bereichen. Das Interesse für den ganzen Asylbereich und entsprechende Weiterbildungen helfen, ein tieferes Verständnis für die Schüler zu bekommen.

Was unterscheidet die Arbeit mit Flüchtlingen vom gewöhnlichen Lehreralltag?
Wir arbeiten in relativen kleinen Gruppen von sechs bis acht, maximal zwölf Schülern. Die Schüler treten ein, kurz nachdem sie in einem Zentrum angekommen sind, also kann jederzeit wieder ein neues Gesicht dazustossen – oder jemand geht weg. Sie kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule. Ihr Rucksack mit Schulerfahrung ist sehr unterschiedlich gepackt, und sie haben sich meist in andern Schulsystemen bewegt, d.h. grosse Klassen, lehrerzentriert, anderes Alphabet, religiöse Ausrichtung usw. Sie haben eine belastende Zeit hinter sich und müssen allmählich an einen geregelten Schulbetrieb herangeführt werden.

Wie muss man sich einen solchen Unterricht vorstellen?
Der Unterricht ist sehr auf die jeweilige Gruppe zugeschnitten. Innerhalb der Gruppe wird je nach Situation in verschiedenen Tempi und Niveaus gearbeitet. Das Herunterbrechen des Schulstoffes mit Berücksichtigung vieler Voraussetzungen ist die grösste Herausforderung. Das Gruppengefühl ist mir sehr wichtig. Der Unterricht findet auf Hochdeutsch statt. Kann jemand etwas Englisch oder Französisch, ist dies hilfreich. Überhaupt ist ein erster Fremdsprachenerwerb eine enorme Erleichterung für beide Seiten, Schüler wie Lehrer. Ab und zu fliesst exemplarisch etwas Schweizerdeutsch mit ein.

Inwiefern mussten Sie Ihren Unterrichtsstil ändern?
Das Hineindenken in eher lernungewohnte Schüler ist anspruchsvoll. Der Unterricht muss gut rhythmisiert und klar aufgebaut sein. Rituale sind wichtig. Sich mit jemandem zu verständigen, ohne eine gemeinsame Sprache zu haben, erfordert viel Geschick sowie alternative Kanäle – Mimik, Gestik, Bilder. Die Lehrmittel, die auf dem Markt sind, sind ein guter Anhaltspunkt, ich passe aber vieles an und stelle vieles selber her.

Wie erreicht man der Heimat entrissene, häufig traumatisierte Kinder?
Ich erlebe seit Jahren, dass die Kinder und Jugendlichen vorwärts orientiert sind, und dass ihre traumatische Belastung im Unterricht kaum eine Rolle spielt. Sie wollen lernen. Aber die Fähigkeit zum Einordnen in eine Gruppe oder auch die Konzentration auf eine Arbeit müssen erst wieder aufgebaut werden. Auf der Flucht waren sie ja eher als Einzelkämpfer unterwegs. Wenn ein bisschen Vertrauen aufgebaut ist, erzählen sie in ruhigen Momenten von ihrem fernen Zuhause, ihrem Weg hierher und den aktuellen Sorgen, etwa um ihre Herkunftsfamilie. Hat ein Schüler massive Schwierigkeiten, die womöglich aufgrund einer Traumatisierung auftreten, wenden wir uns an Schulleitung und Fachpersonen.

Haben Sie Kontakt zu den Eltern der Kinder?
Kaum. In der internen Zentrumsschule war eine Begrüssungsfloskel möglich, man kannte sich. Hier gar nicht. Hinzu kommt, dass die Jugendlichen in meinen Unterrichtsgruppen zurzeit fast alle unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA, Anm. d. Red.) sind. Jeder Familie, jedem Jugendlichen ist im Zentrum eine Betreuungsperson zugeteilt. Diese wird via Schulleitung kontaktiert, wenn dies erforderlich ist.

Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen? Machen die Kinder Fortschritte?
Wenn man bedenkt, was die Jugendlichen für eine Lebensleistung erbringen, bin ich sehr zufrieden mit ihnen. Sie brauchen einen sicheren und geschützten Raum, um überhaupt mit dem Lernen beginnen zu können. Ich habe in den Jahren fast nur positive Erfahrungen gemacht. Der Lernerfolg kommt in kleinen, aber sichtbaren Schritten. Natürlich sind diese Schritte nicht mit gleichaltrigen Jugendlichen hierzulande vergleichbar. Da die Schüler bereits 13-16 Jahre alt sind, werden sie niemals denselben Schulabgang- und Berufswahlprozess durchlaufen können.

In welchen Fächern sind die Kinder am stärksten?
Das ist, wie in der Regelschule auch, sehr unterschiedlich. Die einen entdecken ihre Freude an der Mathematik, andere lernen die neue Sprache recht schnell und können sich verständigen. Der eine ist ein Sporttalent, andere zeigen ihre Stärken im Handwerk oder im sozialen Gefüge. Ihre Motivation ist sehr gross, das zeichnet sie aus. Die Umsetzung und Ausdauer müssen dann geübt werden. Die Schüler singen sehr gern, auch wenn ihnen die Klänge unserer Lieder zu Beginn eher fremd erscheinen. Singen und Musik gehörte in den meisten Herkunftsländern nicht zum Unterrichtsprogramm. Es öffnet Herzen.

Machen die Kinder auch fleissig ihre Hausaufgaben?
Der grösste Teil der Jugendlichen ist zuverlässig und realisiert nach kurzer Zeit, was ich von ihnen verlange. Bei andern, die die Schultasche abends in die Ecke stellen, suche ich das Gespräch mit der Betreuungsperson.

Wie gehen Sie damit um, dass die meisten Kinder nur kurz im Schädrüti bleiben?
Für mich ist das im Moment kein Thema. Die unbegleiteten Flüchtlingskinder bleiben länger – bis die Berufswahl geklärt ist. Vorher gilt es aber, Basics beizubringen, die Verständigung zu fördern und den Übergang in die Regelschule gut vorzubereiten. Eintritte und Verabschiedungen von Schülern werden mit Gruppenritualen zelebriert.

Wäre es für die Integration nicht förderlicher, wenn die Flüchtlinge mit Schweizer Kindern unterrichtet würden?
Für die Sprache und das Hineinwachsen in die Gesellschaft sicher. Unsere Schüler bekommen hier aber eine Starthilfe in einem Schonraum, sowohl sprachlich als auch Erleben und Erlernen schweizerischer Gebräuche. Ich bin überzeugt, dass diese Form der Erstbeschulung grossen Sinn macht und auch die Volksschule entlastet. Wir können etwas leisten, was eine Lehrperson in der Regelschule nicht kann, weil sie mit ihrer Regelklasse gefordert ist.

Gibt es häufiger Streit unter den Kindern als in gewöhnlichen Klassen?
Das erlebe ich gar nicht so. Es sind ganz normale Jugendliche, Pubertierende, die auch mal einen schlechten Tag haben oder Konflikte austragen müssen. Konflikte zwischen Ethnien sind ab und zu ein Thema, gehören aber nicht in die Schule und werden – je nach Sprachstand – thematisiert und dann klar aus dem Schulalltag verbannt. Das gleiche gilt für religiöse Unterschiede. Die Schüler erkennen, dass diese Themen in der Schule kaum Bedeutung haben. Mit der Zeit beginnen sie, alte Muster loszulassen und es gelingt ein friedliches Zusammenleben. 

Was versprechen Sie sich von diesem Schulkonzept?
Eine solide, schulische Grundlage und psychische Stabilität, bevor die Schüler eine Ausbildung in einem komplexeren Umfeld absolvieren. Selbstvertrauen und grundlegende Arbeitstechniken sind meiner Meinung nach wichtige Voraussetzungen für den langen Weg zu einem selbstbestimmten Leben.

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