Leon (6) blättert in seinem Wilhelm-Tell-Malbüchlein. Erst am Mittwochmorgen zeichnete er zusammen mit seinem Zwillingsbruder Mauro († 6) noch an einem Bild. Drei Stunden lang malten die beiden – die Brüder waren unzertrennlich. Jetzt ist Mauro tot.
Vorgestern ist er in Ennetbürgen NW ums Leben gekommen. Er wurde auf dem Trottoir überfahren. Das Unglück passiert am Mittwochnachmittag. Es sind Schulferien. Mauro und seine Geschwister begleiten Mutter Sylvia Küchler (43) zum Einkaufen ins Dorf. «Mauro freute sich auf das Fussballspielen mit seinem Bruder nach dem Einkaufen», sagt die Mutter. «Er hatte sein Kickboard dabei und fuhr langsam auf dem Trottoir vor uns her.»
Plötzlich kommt ein Citroën aus einer Quartiereinfahrt. «Die Autofahrerin muss Mauro auf dem Trottoir übersehen haben», sagt Sylvia Küchler. «Das Auto fuhr über Mauros Kopf. Ich schrie. Aber es war schon zu spät. Ich rannte der Autofahrerin winkend entgegen.» Erst auf der Hauptstrasse kommt das Auto zum Stehen. «Vermutlich hat sie nicht bemerkt, dass sie ein Kind überfahren hatte. Am Unfallort hiess es, sie dachte, sie sei über einen Ball gefahren», sagt Vater Theo Küchler (44).
Ärzte können nicht mehr helfen
Ein Rega-Helikopter landet. Doch die Ärzte können den Buben nicht retten. Mauros Mutter, Zwillingsbruder Leon und Schwesterchen Elena (2) müssen alles mitansehen. Mauro stirbt am Unfallort.
«Für alle Eltern, die ein Kind verlieren müssen, ist es schwer. Es ist ein Geschenk, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen, man schmiedet Pläne – und plötzlich zerplatzt alles», sagt Theo Küchler. «Wir würden gerne die Zeit zurückdrehen, wenn wir nur könnten.»
Trotzdem: Mauros Eltern machen der Autofahrerin keine Vorwürfe. «Das macht unseren Sohn auch nicht wieder lebendig», sagt Theo Küchler. «Fehler passieren leider. Glücklicherweise nicht immer mit diesen tragischen Folgen.»
Solche Unfallsituationen habe er schon unzählige Male analysiert, sagt Vater Theo Küchler. Er ist Geschäftsführer des Verkehrssicherheitszentrums in Seelisberg UR. «Ein solcher Unfall kann jedem passieren. Gerade innerorts im Dorf ist es deshalb wichtig, dass man vorsichtig fährt», sagt Mauros Vater. «Lieber zweimal mehr schauen als einmal zu wenig.»
Nach den Sommerferien wäre Mauro mit seinem Zwillingsbruder Leon in die erste Klasse gekommen. «Mauro ist eine Minute älter. Für Leon war er auch ein grosser Bruder, der ihn beschützt hat. Mauro war so vorsichtig und gewissenhaft. Er ist jetzt Leons Schutzengel», sagt Vater Theo. Zwillingsbruder Leon nickt.