Für seine Arbeitskollegen riskierte er alles. Spitzenschwinger Benno Studer († 26) stellte sich dem Amokläufer Viktor B.* († 42) am Mittwochmorgen mutig in den Weg.
«Es passierte im Gang zwischen Werkstatt und Kantine», sagt ein Zeuge. «Viktor hatte ein Magazin leer geschossen, musste nachladen. Benno nutzte die Gelegenheit, wollte ihn zu Boden reissen. Doch als er vor ihm stand, hatte Viktor seine Pistole fertig geladen. Er drückte ab, schoss Benno in die Brust. Ein Lungendurchschuss. Benno starb noch am Tatort.»
Benno wollte Amokläufer stoppen
Das passe zum Schwinger, sagt Benno Studers Trainer Ivan Bucher (39). «Für mich ist ganz klar, dass er versuchte, den Täter zu stoppen. Als ich von seinem Tod erfuhr, dachte ich sofort, dass Benno sicher alles tat, um den Amokläufer ausser Gefecht zu setzen.» Bucher trainierte Studer seit Herbst 2007. «Für mich gibt es keinen Zweifel, dass Benno so handelte. Er war ein Mensch, der sich immer für Gerechtigkeit einsetzte.»
Benno Studer musste sein Leben lassen. Aber er dürfte ganz vielen Menschen das Leben gerettet haben.
Amokläufer mit Kopfschuss aufgefunden
Am Ende liegt Amokläufer Viktor B. tot in der Kantine. So findet ihn die Polizei am Mittwoch vor. Er hat einen Kopfschuss!
Noch ist unklar, ob er sich selbst gerichtet hat. Oder ob er von einem Kronospan-Angestellten erschossen worden ist, wie viele Menznauer vermuten. «Wie es zu dieser Verletzung gekommen ist, ist Gegenstand der Untersuchung der Staatsanwaltschaft Sursee», so Sprecher Simon Kopp gestern.
Der Amoklauf in der Kantine und der Werkstatt der Kronospan AG in Menznau hat bis gestern vier Tote gefordert. Wie der Schreiner und Schwinger Benno Studer aus Schüpfheim, starb die Kantinenmitarbeiterin Christina N.* († 43) aus Menznau noch am Tatort.
Viktor B. schoss der zweifachen Mutter in den Rücken, während sie am Buffet Znüni-Würstli verkaufte. «Als ich in der Kantine ankam, war alles schon vorbei», sagt ihr Mann Reto N.* (37) zu BLICK. Er arbeitet selber bei der Kronospan, als Abwart. «Ich bin immer noch fassungslos.» Zwei Mädchen haben ihre Mutter verloren.
Am Donnerstag starb auch Thomas M.* († 44) aus Buttisholz.
Fünf Opfer Viktor B.s liegen noch immer mit Schussverletzungen im Spital. Zwei von ihnen schweben in Lebensgefahr. Ein Verletzter konnte am Donnerstagabend das Spital verlassen. Er erlitt einen Streifschuss am Kopf und am Bein.
Die Luzerner Polizei hat gestern weitere Details zum Amokläufer Viktor B. bekannt gegeben. Der gebürtige Kosovare aus dem Ort Nec kam 1991 als Asylbewerber in die Schweiz.
Am 25. Oktober 1995 knackte er in Luzern eine Münztelefonkabine. Am gleichen Abend gegen Mitternacht entriss er einer Frau die Handtasche. Sie stürzte zu Boden.
Trotz Straffälligkeit eingebürgert
Dafür kassierte er 1998 am Luzerner Kriminalgericht zwölf Monate Gefängnis bedingt wegen Raub. Trotz der Strafe wurde er eingebürgert: Bei seinem Tod war Viktor B. Schweizer.
Der genaue Tatablauf auf dem Firmengelände der Kronospan AG war gestern immer noch unklar – ebenso das Motiv.
Viktor B. habe zusehends unter Verfolgungswahn gelitten, sagt ein Schwager. «Er hatte kaum noch Freunde. Und er glaubte, dass er vor dem eigenen Haus in Willisau überwacht werde.» Zuletzt hat Viktor B. drei Wochen Ferien einziehen müssen. «Er erzählte allen, er sei im Kosovo gewesen», so der Schwager, «dabei blieb er daheim!»
In einem Kondolenzbuch, das in der katholischen Kirche von Willisau aufliegt, hat sich auch die Familie des Täters verewigt. «Lieber Gott, ich bitte Dich von ganzem Herzen: Vergebe mir und meinem Bruder unsere Fehler», steht darin. «Gib uns die Kraft, in den schweren Zeiten alles gut zu überstehen.»
Gestern Abend hat Menznau Abschied von den Opfern des Amoklaufs vom 27. Februar genommen.