Rentner, Mieter und Angestellte lernen, sich juristisch korrekt zu wehren.

Foto: Philippe Rossier

Roland Gamp

Seit seiner Pensionierung hat Hanspeter Furrer (76) Zeit. Er nutzt diese, um freiwillig betagten Personen im Alltag zu helfen. «Oft haben sie Fragen zum Erbrecht, wegen der Miete oder der Rente», sagt der ehemalige Marketingfachmann. «Leider bin ich juristisch nicht bewandert und kann ihnen bei solchen Angelegenheiten kaum weiterhelfen.» Furrer entschied, sich fortzubilden. Er besucht derzeit mit 19 weiteren Personen die erste Rechtsschule für Laien, die in Luzern im letzten Oktober angelaufen ist.

Hanspeter Furrer (76) unterstützt Senioren juristisch.

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Gründer ist Hubertus Hollenweger (67), der die Kanzlei Rechtspermanence leitet. Diese bietet unter anderem eine Hotline an, bei der man jederzeit juristischen Rat einholen kann. «Immer wieder melden sich Leute mit den gleichen Problemen», sagt er. Die Klassiker: Streit mit dem Nachbarn, dem Arbeitgeber oder der Familie. «Die Leute wissen jeweils nicht, wie sie sich in solchen Situationen juristisch zur Wehr setzen können», sagt Hollenweger. Viele würden dann einfach einlenken. Oder zusammen mit einem Anwalt streiten. «Dabei würden oft schon wenige Grundkenntnisse reichen, um sein eigenes Recht durchzusetzen.»

Genau diese Grundkenntnisse will der Kurs vermitteln. Jeweils an einem Abend pro Woche, über ein halbes Jahr hinweg, erhalten die Teilnehmer Einblicke in verschiedene Bereiche – vom Privat- bis zum Strafrecht.

Jede Person hat ihre Rechte

Bigi Bürki (62) übernimmt in ihrer Gemeinde die Rechtsvertretung für Kinder und Jugendliche. Ein Jus-Studium hat sie nie absolviert. «Dank diesem Kurs weiss ich nun aber, in welchem Gesetzestext ich bei welchem Problem eine Lösung finde», sagt sie. Ihr neues Wissen sei bereits zum Einsatz gekommen: «Jemand hat mich kürzlich gefragt, ob sein Vermieter unangemeldet die Wohnung betreten darf.» Da das Mietrecht bereits Thema war, sei nach kurzer Recherche klar gewesen: «Das ist illegal.»

Jacqueline Sigrist (25) frischt ihr Wissen im Strafrecht auf.

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Einer der Dozenten ist Andreas Hirner (40). Der Anwalt ist in einem Pharmaunternehmen tätig. Er wäre auf diesen Nebenjob nicht angewiesen. «Mir war es aber ein persönliches Anliegen, an diesem Studienangebot von Anfang an mitzuwirken», sagt er. Jede Person habe ihre Rechte. «Nur wissen die meisten nicht, welche das sind und wo man sie findet.» Viele hätten zudem zu viel Respekt vor dem Gesetz. «Sie denken, dass sie das ohne mehrjährige Ausbildung sowieso nicht verstehen – diese Schwelle will ich abbauen.»

Jacqueline Sigrist (25) ist die jüngste Teilnehmerin. «Mich interessiert vor allem das Strafrecht», sagt die Produktionsassistentin. Mit dem Gesetz sei sie noch nie in Konflikt gekommen. «Aber es schadet sicher nicht, wenn man sich auskennt.» Brigitte Sanderink (61) wiederum arbeitete im Kanton Schwyz an einer Initiative gegen den Lehrplan 21 mit. Der Kanton erklärte den Vorstoss später als ungültig, weil er gegen übergeordnetes Recht verstosse. «Hätte ich mich juristisch besser ausgekannt, wäre das nicht passiert», sagt Sanderink.

«Oft würden schon wenige Grundkenntnisse reichen, um sein Recht durchzusetzen», sagt Mediator Hubertus Hollenweger.

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Junge und Alte, Frauen wie Männer besuchen den Kurs, vom Unternehmer bis zur Hausfrau. «Diese Durchmischung freut mich», sagt Mediator Hollenweger. «Sie zeigt, dass wir in allen Lebenslagen mit juristischen Fragen konfrontiert sind.» Die Gesetze in ihren Grundzügen zu kennen, sei wichtiger denn je. «Heute wird schon aus dem kleinsten Problem ein juristischer Streitfall gemacht.» Es lohne sich, wenn man sich auf juristischem Gebiet grundsätzlich auskenne, so Hollenweger. «Das spart Verfahrenskosten – und viele Nerven.» Das Interesse an der Rechtsschule sei dementsprechend gross: «Ab kommendem März bieten wir diesen Lehrgang deshalb auch in Zürich und Bern an.»

Wissenschaft für Anfänger

Verschiedene Anbieter haben sich auf die Ausbildung von Laien spezialisiert. «Abendkurse für Erwachsene» bietet neben Sprachkursen auch Mathematik und Physik für Einsteiger an. Die Klubschule der Migros bietet Ausbildungen von Kultur über IT bis zum Rechnungswesen. Viele Verbände und Gruppen veranstalten spezifische Kurse. Die «ARGE Archäologie» bietet Reisen für Laien an, bei denen sie aktiv an Ausgrabungen mitarbeiten können. Die Astronomische Gesellschaft Luzern veranstaltet in der Sternwarte Hubelmatt einen Basiskurs. Und der Verband BirdLife Schweiz bietet in vielen Kantonen ornithologische oder botanische Grundkurse an.