«Die Politik wurde mit falschen Zahlen hinters Licht geführt»
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Hüttenwart gegen Staumauer:«Die Politik wurde hinters Licht geführt»

Neuer Stausee bei Zermatt soll Tal und Gletscher fluten – Hüttenwart entsetzt:
«Bei dem Gedanken kommen mir die Tränen»

Ein Staudammprojekt am Gornergletscher in Zermatt sorgt für Diskussionen. Während die Behörden es als Schlüssel zur Energiesicherheit sehen, befürchten Kritiker irreversible Schäden für Natur und Tourismus. Der Hüttenwart der Monte-Rosa-Hütte findet klare Worte.
Publiziert: 00:22 Uhr
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Beim Gornergletscher in Zermatt will die Grande Dixence SA eine 85 Meter hohe Staumauer bauen (Visualisierung).
Foto: Grande Dixence SA

Darum gehts

  • Staumauerprojekt Gornerli in Zermatt sorgt für Kontroverse und Kritik
  • Bergführer Richard Lehner sieht Projekt als Bedrohung für Natur und Tourismus
  • Geplante Staumauer soll 140'000 Haushalte mit Strom versorgen können
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin MeulReporter News

Energieminister Albert Rösti (58) nannte es ein «zentrales Puzzleteil der Schweizer Energiezukunft». Gemeint ist das Projekt «Mehrzweckspeicher Gornerli», eine 85 Meter hohe Staumauer beim Gornergletscher in Zermatt. Durch die neue Mauer sollen dereinst 140'000 Haushalte mit Strom versorgt werden können. Deshalb Röstis Aussage.

Ganz andere Worte für die Staumauer findet Richard Lehner (52), Bergführer und Hotelier aus Zermatt sowie Hüttenwart der Monte-Rosa-Hütte. «Dass wir überhaupt über so ein Projekt nachdenken, enttäuscht mich ungemein», sagt er im Gespräch mit Blick.

Ein gewaltiger See

Das «Gornerli» gilt als eines der zentralen Stromprojekte des Landes. Die Idee: Eine Bogenstaumauer soll einst das Wasser des Gornergletschers für die Stromproduktion nutzbar machen, vor allem im Winter. Zudem soll sie das Dorf Zermatt vor Hochwasser schützen und langfristig die Trinkwasserversorgung des Mattertals sichern.

Mediensprecher Laurent Savary von der Grande Dixence SA, die für den Bau der Staumauer zuständig ist, sagt zu Blick: «In Bezug auf die dringend benötigte Winterenergie sind die Schweizer Stauseen bis auf weiteres die erste Wahl. Das Projekt Gornerli bietet eine einmalige Chance, mit verhältnismässig geringem technischem Aufwand bei verhältnismässig geringen Umweltauswirkungen einen entscheidenden Beitrag zu leisten.»

Das mit den «geringen Auswirkungen» sieht Hüttenwart Richard Lehner ganz anders. Zusammen mit der Interessengemeinschaft Gornerli und einigen Umweltverbänden wehrt er sich gegen die Pläne für die Staumauer. Vor allem wegen des enormen Ausmasses des Sees, der entstehen würde. Dieser wäre rund fünf Kilometer lang. «Wenn ich auf der Monte-Rosa-Hütte bin und mir diesen See vorstelle, kommen mir die Tränen», sagt Lehner. 

Dieser See würde nicht nur die Landschaft für immer verändern, sondern auch Teile des Gletschers unter Wasser setzen. «Einzigartige Naturwerte, das ganze ökologische Gleichgewicht würden dabei unwiederbringlich zerstört», sagt Lehner und fügt an: «Dies in Zeiten, in denen unsere Gletscher ohnehin schon massiv unter Druck sind.»

«Ein touristisches Desaster»

Doch die Kritik von Lehner geht noch weiter: Er verweist auf die touristische Bedeutung des Gebiets. Dieses ist gerade bei Tourenskifahrern sehr beliebt. «Auf einem See lässt es sich schlecht Ski fahren», sagt er.

Die Lösung der Grande Dixence SA: ein 1,5 Kilometer langer Umgehungstunnel. «Dieser soll die Skiabfahrt für Tourengänger und Freerider in Richtung Zermatt sicherstellen», so Sprecher Laurent Savary.

Davon hält Bergführer Lehner wenig. «Die Leute kommen doch nicht nach Zermatt, um durch einen Tunnel zu fahren», sagt er. Ohnehin sei fraglich, ob die Touristen überhaupt noch nach Zermatt kommen würden. «Das Dorf wird während der Bauphase unter Lärm und Dreck leiden», führt Lehner aus. «Immerhin müssen über Jahre Hunderttausende Tonnen Material in ein hochalpines Gebiet transportiert werden – direkt durch den Kurort Zermatt. Das wird ein touristisches Desaster.»

Die Verantwortlichen hingegen versprechen: «Einzig die Spezialtransporte erfolgen über die Strasse, alle anderen Transporte, wie beispielsweise die Zementtransporte, werden über die bestehende Bahninfrastruktur und eine temporäre Seilbahn abgewickelt.» 

Lehner glaubt nicht daran. «Die Bahninfrastruktur ist jetzt schon am Limit, wie will man da noch Tausende Transporte drüber abwickeln?», fragt er.

Bringt der Stausee überhaupt die versprochene Leistung?

Auch der versprochenen Leistung der Staumauer schenkt Lehner keinen Glauben. «Man redet von grossen Zahlen und einer enormen Leistung, doch wenn man genauer hinschaut, sieht man: Diese Versprechen sind nicht haltbar.» Er verweist darauf, dass die Wasserzuflüsse immer geringer werden. «Es ist zu bezweifeln, dass der Stausee langfristig überhaupt richtig gefüllt werden kann, wenn es immer weniger Gletscher gibt», sagt er. Lehner glaubt, dass die Zahlen künstlich hochgerechnet wurden, um überhaupt die Chance zu bekommen, in einer solchen Landschaft einen solchen Stausee bauen zu können.

Diesen Vorwurf weist die Grande Dixence SA zurück. Sprecher Savary sagt: «Die Produktionszahlen basieren auf wissenschaftlichen Arbeiten und sind daher nicht künstlich hochgerechnet.» Die Mauer werde nach ihrer Fertigstellung eine zusätzliche Stromproduktion von rund 120 Millionen Kilowattstunden pro Jahr liefern – eben Strom für 140'000 Haushalte.

Eine kleinere Mauer

Trotz aller Kritik: Hüttenwart Lehner ist nicht grundsätzlich gegen eine Staumauer im Gornerli. «Mit dem Abschmelzen des Gletschers wird ein natürlicher See entstehen. Dieses Potenzial kann durchaus für die Stromproduktion genutzt werden», sagt er. Seine Lösung: eine kleine Naturmauer statt einer gewaltigen Betonkonstruktion.

Lehner ist überzeugt, dass nur so überhaupt ein mehrheitsfähiges Projekt zustande kommen kann. «Der Widerstand gegen die gewaltige Mauer wächst jeden Tag», sagt er.

Am Donnerstag fanden sich denn auch 400 Zermatter bei einer Infoveranstaltung der Grande Dixence SA ein. Das Gornerli bewegt, das steht fest.

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