Die vergangenen Freitag von der Neuenburger Polizei verschickte Medienmitteilung war für die Familie von Latifa Boukri (24) ein Schock. Seit Anfang Januar wird die junge Frau aus La Chaux-de-Fonds vermisst.
Nun veröffentlichte die Behörde Bilder einer Schneeschaufel, die im Zusammenhang mit ihrem Verschwinden stehen könnte und erwähnt ein Paar Gummistiefel. «Personen, die das Verschwinden dieser Gegenstände festgestellt» hätten, sollen sich bitte melden, heisst es. Die Polizei vermute, dass sie aus den Neuenburger Bergen, der Region Lausanne oder dem benachbarten Frankreich stammen könnten.
Die Angehörigen kombinieren – und befürchten das Schlimmste. «Es ist furchtbar, zu erfahren, dass sich die Ermittler für eine Schaufel interessieren», sagt die Mutter der Vermissten (53) zu «Le Matin Dimanche». «Ich hoffe, dass Latifas Mann sie nicht getötet und vergraben hat.»
Latifa war ins Frauenhaus gezogen
Ihr Mann, ein 28-Jähriger, steht im Fokus der Ermittlungen. Seit Juni vergangenen Jahres sind Latifa und er verheiratet, im Oktober zogen sie gemeinsam nach La Chaux-de-Fonds. Laut Angaben der Polizei verschwand Latifa, nachdem sie Mitte Dezember wegen Eheproblemen von zu Hause ausgezogen und in ein Frauenhaus geflohen war. Zu diesem Zeitpunkt brach der Kontakt zur Familie ab. Ihr Ehemann soll es gewesen sein, der am 6. Januar zuletzt von ihr gehört hat.
Zwischen dem Eintritt ins Frauenhaus und ihrem Verschwinden hat Latifa, berichtet nun «Le Matin Dimanche», einen Anwalt aufgesucht. Sie habe vor Gericht einen Antrag auf Getrenntleben stellen wollen, sagt dieser. Die sogenannte Eheschutzmassnahme soll im Konfliktfall greifen und wird in Abgrenzung zur Scheidung normalerweise beantragt, wenn Hoffnung auf eine Besserung der Situation besteht.
Eingereicht wurde das Gesuch allerdings nie. An ein zweites Treffen war Latifa nicht erschienen. Anwalt Olivier Moniot: «Ich habe sie nie wiedergesehen.»
Mann seit zwei Monaten in U-Haft
Der Ehemann der jungen Frau befindet sich seit zwei Monaten in U-Haft, gegen ihn wird wegen Entführung ermittelt. Der Angestellte eines Architekturbüros streitet ab, etwas mit dem Verschwinden Latifas zu tun zu haben. Doch unter anderem die im Keller des Verdächtigen gefundene Schaufel und die Gummistiefel lassen die Staatsanwaltschaft an der Unschuld des Mannes stark zweifeln.
«Seit Beginn verlangen wir vom Verdächtigen, eine Erklärung für das Vorhandensein dieser zwei Gegenstände in seinem Keller zu liefern», sagt Staatsanwalt Daniel Hirsch zu «L'Impartial». Es sei ihm «noch immer nicht» gelungen, eine Begründung zu äussern, «die vernünftig und glaubhaft ist, sei es in Bezug auf die Herkunft als auf den Gebrauch». Offenbar soll der Mann behaupten, er habe die Schaufel zum Schneeschippen gebraucht. Doch weshalb klebt an ihr dann Erde?
Familie ist verzweifelt
Die Familie der Vermissten hat sich im Elternhaus im französischen Saint-Louis nahe der Schweizer Grenze versammelt. Täglich hoffen sie auf Neuigkeiten. Gute Neuigkeiten. «Wir gehen nicht mehr zur Arbeit, wir sind wie Gefangene», sagt die ältere Schwester Latifas zu «Le Matin Dimanche».
«Manchmal schaffen wir es, positiv zu denken, uns einzureden, dass die Polizei ausserordentliche Arbeit leistet und dass Latifa zurückkehren wird.» Die Suche nach der verschmutzten Schaufel habe diesem Optimismus allerdings einen schweren Schlag versetzt. (lha)