Dramatische Bergung in Gletscherspalte
«Erst wenn wir ein Opfer tot finden, geben wir auf»

Zwei Tage lang suchten Walliser Rettungsspezialisten nach einem Tourengänger, der in eine Gletscherspalte stürzte. Rund 38 Retter standen im Einsatz. Der Verunglückte konnte trotzdem nur noch tot geborgen werden.
Publiziert: 12.03.2015 um 16:08 Uhr
|
Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:04 Uhr
1/16
Beim Überqueren des Jungfraufirns stürtze ein Tourengänger in eine Gletscherspalte.
Foto: Air Zermatt

Vier Alpinisten machen eine Skitour vom Jungfraujoch zur Lötschenlücke. Es ist Freitag, der 7. März 2014 gegen 10.45. Die Alpinisten befinden sich auf einer Höhe von 3300 Metern, als beim Überqueren eines Schneefeldes unter einem Tourengänger eine Schneebrücke über einer Gletscherspalte einbricht.

Der Mann fällt etwa 20 Meter in die Tiefe und wird von den nachstürzenden Schneemassen bedeckt. Die anderen drei Tourengänger alarmieren sofort den Rettungsdienst. Zwei Helikopter der Air Zermatt rücken aus. Mit an Bord sind zwei Rettungsspezialisten der Kantonalen Walliser Rettungsorganisation (KWRO).

«Ein Wettlauf gegen die Zeit»

«Fallen Berggänger in Gletscherspalten, ist die Rettung ein Wettrennen gegen die Zeit», sagt KWRO-Rettungsspezialist Rinaldo Kreuzer zum «Walliser Boten». Er war als erster vor Ort.

Die Retter befragen die unversehrten Berggänger, verschaffen sich einen Überblick über die Situation. Weitere Bergretter sind nötig. Rettungsspezialisten aus dem Oberwallis und Lauterbrunnen werden aufgeboten. Auch Lawinenhundeführer und sechs Hunde sind an der Rettung beteiligt. Denn: «Wir wussten nicht, was uns erwartete. Aber wir gingen davon aus, die Person lebend anzutreffen. Erst wenn wir den Verunglückten tot auffinden, geben wir die Hoffnung auf», präzisiert Kreuzer gegenüber Blick.ch.

Hunde und Retter werden mit Seilwinden in Gletscherspalte gelassen

Die Spezialisten und die Hunde werden mit Seilwinden in die Gletscherspalte gelassen. Während des Einsatzes hat die Sicherheit der Retter oberste Priorität. Männer und Hunde müssen die ganze Zeit am Sicherungsseil bleiben.

Da der 60-Jährige nicht in einem Hohlraum oder einer Spalte ist, sondern unter dem Schnee verschüttet, suchen die Bergretter wie bei einem normalen Lawineneinsatz. Die Hunde können auf dem flachen Boden an der Leine nach dem Verschütteten suchen.

Kreuzer ist bei der Rettung selbst in der Gletscherspalte. Hat man in einer solchen Situation auch Angst? «Wir sind ausgebildet dafür. Wir haben natürlich Respekt und die Vorsicht immer im Hinterkopf. Doch mit unserer Erfahrung können wir gut abschätzen, wie gross die Gefahr ist. Aber Angst haben wir eigentlich nicht», sagt Kreuzer.

«Dimension der Gletscherspalte war aussergewöhnlich»

Doch mehrere Probleme erschweren die Rettung: «Die Dimension der Gletscherspalte war in diesem Fall aussergewöhnlich», sagt Kreuzer – sie ist etwa 100 Meter lang und fünf bis sechs Meter breit. Man weiss auch nicht genau, wo der Tourengänger eingebrochen ist, wodurch das Suchfeld grösser wird.

Zudem ist das Opfer unter der Schneemasse begraben. Sein Lawinenverschüttetensuchgerät sendet kein Signal. Die Hunde geben mehrmals an, die Retter graben bis zu acht Meter tief in den Schnee. «Zum Teil mussten wir Motorsägen einsetzen, um Eisblöcke auf dem Weg nach unten zu beseitigen», sagt Kreuzer dem «Walliser Boten».

Die Suche bleibt dennoch erfolglos. Und wird am Freitag gegen 17 Uhr eingestellt. Am Samstagmorgen um 7 Uhr starten die Retter einen erneuten Versuch. Neun Stunden später finden sie den Mann etwa drei Meter tief unter den Schneemassen – der 60-Jährige kann nur noch tot geborgen werden. (kab)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?