Der Kopf schmerzt heftig. Ermanno Ciccone (58) erwacht am Samstag aus dem künstlichen Koma. Seine Erinnerung an das Skiunglück in den Walliser Alpen ist brüchig.
«Ich weiss nicht mehr viel von diesem verdammten Augenblick», erzählt der Zellforscher aus Genua. «Wir laufen Ski. Der Schnee gibt nach. Ich stürze in ein Loch. Dann ist alles nur noch schwarz um mich herum.»
Der Wissenschaftler liegt in einem Krankenzimmer des Berner Inselspitals. Vorsichtig überbringt das Pflegepersonal dem Italiener die Hiobsbotschaft: Ehefrau Tiziana (49) hat das Unglück am Mittwoch am Klein Matterhorn nicht überlebt.
Ermanno Ciccone bricht in Tränen aus. «Ohne meine Frau kann ich nicht sein. Ich bin am Ende», schluchzt der Familienvater. «Und was wird mit meiner kleinen Noemi?»
Das Forscher-Ehepaar machte Ferien in Valtournenche im Aostatal. Am Unglückstag gaben sie ihr vierjähriges Töchterchen im «Baby-Park» ab und fuhren dann hoch zum Skifahren auf dem Klein Matterhorn (3820 m ü. M.), dem grössten und höchstgelegenen Skigebiet der Schweiz.
Ermanno und Tiziana verfehlen die Einfahrt zur Skipiste auf dem Theodulgletscher. Ein italienischer Pistenwächter beobachtet ihre Irrfahrt vom Skilift aus. «Ich sah die beiden auf dem Gletscherfeld», sagt Walter Bocherel. «Dort ist es lebensgefährlich. Es hat überall verborgene Spalten unter dem Schnee. Plötzlich verschwand der Mann. Kurz darauf stürzte auch die Frau ein. Ich habe sofort die Schweizer Bergwacht alarmiert.»
Drei Helis der Air Zermatt mit acht Mann flogen hin
Um elf Uhr erhält Bergretter Bruno Jelk den Anruf. 500 Spalteneinsätze hat der Rettungschef der Air Zermatt schon hinter sich. «Wir sind gleich hin: acht Mann, drei Helis.»
Die Einbruchstellen der Eheleute sind sechzig Meter auseinander. Die Crew rammt Dreispitze in den Schnee. Zwei Winden ziehen Ermanno Ciccone aus der Tiefe der Gletscherspalte. «Er hatte ein zerschnittenes Gesicht und einen Oberschenkelbruch. Er blutete stark», sagt Jelk. Der Heli fliegt den Schwerverletzten nach Bern ins Inselspital.
Die Bergung von Ehefrau Tiziana gestaltet sich noch schwieriger. Sie ist fünfzig Meter tief gefallen, liegt unter einer zwei Meter dicken Schneeschicht begraben. «Wir mussten sie rausschaufeln», sagt Jelk. «Sie starb auf der Stelle.»
Während das Drama am Klein Matterhorn seinen Lauf nimmt, spielt das Töchterchen des verunglückten Ehepaars im «Baby-Park». Hin und wieder fragt Noemi: «Wo ist das Mami, der Papi?» Die Betreuerinnen beruhigen die Kleine: «Sie kommen gleich.» Als aber gegen 18 Uhr die Eltern noch immer nicht zurück sind, um das Mädchen abzuholen, machen sich die Kindergärtnerinnen Sorgen. Sie melden sich bei der Polizei. Dort erfahren sie vom tragischen Unfall und dem Tod von Noemis Mutter.