Beinamputierter Neil Heritage (35) will aufs Matterhorn
Ein Mann geht seinen Weg

Bei einem Selbstmordanschlag im Irak verlor Neil Heritage (35) seine Beine. Trotzdem will der Brite Ende August das Matterhorn bezwingen.
Publiziert: 07.08.2016 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:19 Uhr
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Neil Heritage beim Klettertraining am Riffelhorn.
Foto: ZVG
Cyrill Pinto

Neil Heritage (35) steckt sich gern grosse Ziele. Denn er will der Welt beweisen, dass es trotz schwerer Behinderung möglich ist, Höchstleistungen zu erbringen. Nun steht der zweifach beinamputierte Ex-Soldat vor seiner bisher grössten Herausforderung: Ende August will er aufs Matterhorn.

Das wäre schon ohne Handicap eine beachtliche Leistung: Acht Stunden Klettern im Hochgebirge, im oberen Teil auf schmalem Grat in Schnee und Eis. Der Weg auf den 4478 Meter hohen Gipfel ist kein Sonntagsspaziergang.

Als Korporal diente Heritage elf Jahre lang bei der britischen Armee. Bosnien, Nordirland und den Irak kennt er aus Kampfeinsätzen. 2004 war er als Spezialist einer Einheit zur Sprengmittelentfernung mit seiner Truppe in Basra (Irak) stationiert, als ein Selbstmordattentäter neben ihm den Sprengsatz zündete. Die Explosion riss ihm beide Beine ab. Doch Heritage, damals gerade 24 Jahre alt, überlebte wie durch ein Wunder. «Er war der erste britische Soldat, der eine doppelte Beinamputation oberhalb der Knie überlebte», sagt Julie Burley von der Kriegsversehrtenstiftung Endeavour Fund, die Neil Heritage zurück ins aktive Leben begleitet. Es war nicht leicht: Dutzende Operationen brauchte es, bis seine zerfetzten Oberschenkel wiederhergestellt waren.

Anfangs konnte sich Heritage nur im Rollstuhl bewegen. «Die Ärzte sagten mir damals, dass ich nie mehr laufen würde», berichtet er. Doch dieses Schicksal wollte der zweifache Vater nicht akzeptieren.

Er kämpfte sich zurück: Eine Spendensammlung finanzierte ihm zwei Beinprothesen. Er lernte noch einmal laufen. «In den ersten Jahren nach der Verletzung schien es mir unmöglich, je wieder ein normales Leben führen zu können», sagt Heritage.

«Row to Recovery»

Doch er gab nicht auf: 2011 nahm er mit fünf weiteren Kriegsversehrten an der Atlantiküberquerung «Row to Recovery» (Rudern zur Heilung) teil. Mit ihrer 3700 Kilometer weiten Reise von den Kanaren auf die Karibikinsel Barbados warben die Ex-Soldaten um Spenden für Kriegsversehrte. Jeweils drei von ihnen ruderten, die anderen drei ruhten sich aus. Unterwegs fiel die Wasserentsalzungsanlage aus, die Männer mussten das wenige Trinkwasser rationieren. Nur knapp schafften sie es ins Ziel, nach rund 50 Tagen auf dem Meer.

Nun also das Matterhorn: Am 25. August wird Heritage nach Zermatt reisen. Den Start zum Aufstieg hat er für den 28. geplant. Wenn das Wetter mitspielt, will er den Berg etappenweise in drei Tagen bezwingen. Es wäre das erste Mal, dass ein Mann ohne Beine das Horu besteigt. Begleitet wird Heritage von einem lokalen Bergführer und zwei Ex-Soldaten.

Um sich auf seine Matterhorn-Tour vorzubereiten, hat er hart trainiert. Letzten Sommer erklomm er in Begleitung von zwei Bergsteigern das Riffelhorn in Zermatt. Der Aufstieg auf diesen Berg gilt als Vorbereitung für das Matterhorn.

Dabei testete Heritage nicht nur seine Technik und Ausdauer, sondern auch speziell für diese Tour entwickelte Beinprothesen. Ein Paar mit Gummifüssen dient für die unteren Kletterpartien, das zweite Paar hat eine Art Steigeisen. Diese erlauben es ihm, in Schnee und Eis zu klettern.

«Jetzt, wo ich vor dem Versuch stehe, das Matterhorn zu erklimmen, realisiere ich, wie weit ich seit meiner Verletzung gekommen bin», sagt Heritage.

Er hofft, dass sein Beispiel andere Handicapierte motiviert: «Man kann Verletzungen überwinden und seine Träume verfolgen. Es gibt ein Leben nach einer schweren Verletzung!»

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