Wer hätte das gedacht?
In Schweizer Seen schlummert Energie von 60 AKW!

Heizen mit kaltem Seewasser mag paradox klingen. Doch laut einer neuen Studie der Eawag könnten die grossen Seen die Energie von ein oder zwei Kernkraftwerken sowohl zum Heizen als auch Kühlen liefern - ohne Schaden für das Seeökosystem.
Publiziert: 16.12.2014 um 17:48 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:51 Uhr

Grosse Seen haben in der Tiefe eine konstante Temperatur von etwa 4 Grad Celsius. Dies genügt, um mit Hilfe von Wärmepumpen Heizwärme zu gewinnen. Erste solche Anlagen gibt es in Zürich, Lausanne und St. Moritz, sie seien jedoch nicht sehr effizient und die gewonnenen Wärmemengen gering, so die Wasserforschungsanstalt Eawag.

In den grossen Seen schlummert jedoch ein «riesiges Wärmepotenzial», ist Alfred Wüest, Professor für Wasserphysik, überzeugt. Sein Team hat mit mathematischen Modellen berechnet, wie sich Temperatur und Wasserschichtung im Bodensee verändern würden, wenn ihnen etwa 1 Gigawatt Energie (entspricht der Leistung eines AKW) zum Heizen oder Kühlen entnommen würde.

Der See würde an der Oberfläche maximal um 0,2 Grad Celsius abkühlen. Die Temperatur schwankt sogar nur um 0,1 Grad, wenn die Wärmeentnahme im Winter während des Sommers kompensiert würde, indem gebrauchtes Kühlwasser in den See zurück fliesst.

Von Temperaturschwankungen von plus/minus 0,5 Grad Celsius sind Studien zufolge keine Auswirkungen auf die Ökologie des Sees zu erwarten. Auch der umgekehrte Fall, wenn erwärmtes Kühlwasser in den See zurückgeführt wurde, hatte in den Modellen keinen grossen Einfluss.

Die Veränderungen der Temperatur und Stagnation seien «vernachlässigbar», fasst Studienleiter Wüest zusammen. Dies gelte jedoch nur für grosse, tiefe Seen - bei kleinen oder flachen Seen sei Vorsicht geboten.

Auch die Auswirkungen auf das Ökosystem wären minimal, sagte Wüest. Vor allem, wenn man sie damit vergleicht, wie viel fossile Energie eingespart werden könnte. Die Schweizer Haushalte beziehen immer noch 65 Prozent ihrer Heizenergie aus fossilen Energieträgern wie Heizöl.

Erste grössere Seewärmeprojekte sind bereits in Planung, zum Beispiel das Projekt «Genève Lac Nations», das Wasser des Genfersees zum Heizen und Kühlen der ETH und der Universität Lausanne sowie des Uno-Komplexes verwenden will. Es soll 1500 Tonnen Heizöl pro Jahr sparen.

Wüest hat vorsorglich schon einmal berechnet, wie viel nutzbare Wärme der Boden-, Genfer-, Neuenburger-, Vierwaldstätter- und Thunersee gemeinsam hergeben könnten. Bedingung war, dass die Temperatur in 100 Metern Tiefe maximal um 1 Grad schwankt. Das Resultat: Es wären über 60 Gigawatt, was etwa der Leistung von 60 Atomkraftwerken entspricht.

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