Die Knochen werden Mitte Oktober 2014 entdeckt, als bei Bauarbeiten zu einer Sickerleitung menschliche Skelette freigelegt werden (BLICK berichtete), darunter zwei Schädel und sechs Unterschenkelknochen. Gut erhalten, aber zu alt für die Kriminalpolizei in Chur.
Mit dem Fall befassen sich jetzt der Kantonsarchäologe Thomas Reitmaier (37) und die Liechtensteiner Anthropologin Christine Cooper (37). Vorsichtig hält Reitmaier den Schädel des Mannes in der Hand. «Ich habe viel Respekt. Das waren Menschen, die einen schrecklichen Tod erlitten. Ich fühle Mitleid, und ein wenig schaudert es mich», sagt er. Dann wird er sachlich: «Die Gewalttat muss im frühen Mittelalter passiert sein, im 7. oder 8. Jahrhundert. Vielleicht wurde die Gruppe ausgeraubt, entblösst und getötet. Am Fundort gab es weder Hinweise auf Kleidungsstücke, noch auf Särge oder Leichensäcke», so der Kantonsarchäologe. Dass es sich also um ein reguläres Grab handeln könnte, schliesst der Experte aus, es gebe keine Kirche am Fundort. «Auch dass die Opfer übereinander lagen, spricht nicht für eine Bestattung, eher dafür, dass sie in eine Grube geworfen wurden.»
Christine Cooper ist auf mittelalterliche Kriegsverletzungen spezialisiert. Sie stellt fest: «Der Mann war zwischen 20 und 30 Jahre alt. Ihm wurde mit einer vierkantigen Spitze das Stirnbein durchbohrt. Es könnte eine Lanze, ein Spiess, ein Pfeil oder auch ein Werkzeug gewesen sein.»
Eine der beiden Frauen, zwischen 40 und 50 Jahre alt, sei einer ähnlichen Kopfverletzung erlegen. «An ihrem rechten Schädelbein sind eine kleine Öffnung und eine Fraktur», so die Anthropologin.
«Möglicherweise war es ein Familiendrama», sagt Reitmaier. «Wir werden im Frühjahr auf dem Maiensäss noch einen Sondierschnitt vornehmen, die Fundstelle um einige Quadratmeter erweitern. Vielleicht finden wir ja noch mehr Tote.»