Die Macht der sozialen Medien
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Wahr oder Falsch?Die Macht der sozialen Medien

Wer entscheidet über echt oder fake?
Die Macht der sozialen Medien

In der US-Krise übernehmen die sozialen Medien mehr Verantwortung als je zuvor. Wie kann es sein, dass private Firmen über Wahrheit und Lüge entscheiden? Und wie gewinnen die Plattformen das Vertrauen der Nutzer zurück.
Publiziert: 07.06.2020 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2020 um 08:12 Uhr
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Zum ersten Mal seit dessen Amtsantritt markiert Twitter einen Tweet von US-Präsident Trump als unglaubwürdig.
Foto: AFP
Sven Ziegler

Nun also doch. Zum ersten Mal seit dessen Amtsantritt markiert Twitter einen Tweet von US-Präsident Trump als unglaubwürdig. Die aktuelle Krise in den USA zeigt: Die sozialen Netzwerke haben einen enormen Einfluss auf die Meinungsbildung der Menschen.

«Der Aufstieg der sozialen Medien geht einher mit dem Phänomen der weltweiten Proteste», erklärt Lukas Golder, Co-Leiter am Meinungsforschungsinstitut Gfs Bern. «Durch die sozialen Medien kann innert Kürze ein Millionenpublikum erreicht werden, die Kosten belaufen sich praktisch auf Null.» Treiber sei häufig die jüngere Generation, die einen spielerischen Umgang mit den Plattformen wie Facebook, Twitter und Co. habe.

Das Phänomen Fake News

Dominique Wirz forscht an der Uni Freiburg zur Wirkung der sozialen Medien. Die Kommunikationswissenschaftlerin erläutert: «In der heutigen Gesellschaft herrscht sehr viel Unsicherheit. Die Leute möchten etwas gegen diesen Zustand unternehmen. Wenn die Leute Informationen oder Bilder teilen, haben sie das Gefühl, etwas bewirkt zu haben.» Das begünstige auch das Phänomen der Verbreitung von Fake News – von Nachrichten also, die Sachverhalte falsch wiedergeben.

Dass Fake News gerade in den sozialen Medien Hochkonjunktur erleben, ist laut Wirz kein Zufall. «Vor allem in den USA ist das Vertrauen in die klassischen Medien sehr klein. Anders als in der Schweiz teilen sich die Medien in den USA in politische Lager auf. Diskussionen oder kontroverse Meinungen sind selten. Die Leute fühlen sich dadurch einseitig informiert.» Neu ist das Phänomen nicht, die Abwanderung von den klassischen Medien auf soziale Plattformen wird in den USA bereits seit längerer Zeit beobachtet.

«Auch exotische Ideen verbreiten sich sehr schnell»

Mittlerweile informieren sich viele Personen sogar nur noch über die sozialen Medien. Dominique Wirz sieht diese Entwicklung kritisch: «Auf den sozialen Plattformen gibt es viele Inhalte mit geringer Qualität. Es fehlt eine kritische Einordnung. Informationen werden oft nur sehr oberflächlich und schnell konsumiert. Das führt auch zu einer Polarisierung, besonders weil den Leuten nur das angezeigt wird, was sie auch sehen wollen.» Das Gefühl stelle sich ein, dass Personen mit anderen Einstellungen falsche Gedanken hätten. Meinungsforscher Lukas Golder ergänzt: «Durch die enorme Reichweite erreichen sich auch Leute mit ‹exotischen› Ideen sehr schnell. Man fällt in einen Trichter und verschliesst sich der Diskussion – für neue Ideen wird man unempfänglich.»

Politiker wie Donald Trump, die komplexe Sachverhalte auf 280 Zeichen herunterbrechen, sieht Golder kritisch: «In den USA dient Twitter als Massenmedium, viel mehr als in der Schweiz. Trump polarisiert mit seinen Tweets, er unterscheidet nur zwischen wahr und falsch. Das ist eine giftige Kombination.» Die Leute wissen laut Wirt zwar, dass Trump nicht objektiv berichtet, aber: «Diese Täuschung führt zu weiteren Problemen. Die Leute wissen nicht mehr, was sie glauben können und was nicht. Das führt zu einem tiefen Misstrauen in die Medien.»

Und doch spielen Plattformen wie Facebook und Twitter eine wichtige Rolle – und das sei auch gut so, bekräftigen beide. Golder erklärt: «In den sozialen Medien können wichtige Debatten geführt werden, die vielleicht in einem öffentlichen Raum nicht möglich wäre. Es ist ein Raum der Diskussion.» Die Einmischung der Öffentlichkeit sei enorm wichtig. Es brauche Platz für Korrekturen und eine eigene Meinungsbildung.

Offenere Algorithmen für die Forschung

Dass private Firmen die komplette Kontrolle über diese Diskussionen hätten, sei aber «eine gefährliche Entwicklung», sagt Golder. «Die sozialen Medien sind heute auf der gleichen Stufe wie Medienhäuser, mit derselben gesellschaftlichen Verantwortung.» Wahrnehmen wollen würden sie diese aber noch nicht. Es brauche einheitliche Regeln und auch Gesetze.

Das sieht auch Wirz so. «Die Plattformen müssen die Meinungsfreiheit gewährleisten und gleichzeitig journalistische Inhalte besser von Meinungen und nicht überprüften, vermeintlich journalistischen Inhalten trennen.» Denn die Nutzer sehen laut Wirtz auf den Plattformen vor allem Inhalte, die sie in ihrem eigenen Weltbild bestärken. Daran seien die Algorithmen schuld. Computerprogramme also, die Gewohnheiten und Ansichten der Nutzer analysieren und den Inhalt darauf zuschneiden.

Wirz fordert daher, die Algorithmen offener zu gestalten: «Die Leute müssen verschiedene Inhalte zu sehen bekommen und klar erkennen können, welcher Inhalt seriös überprüft wurde.» Die sozialen Plattformen seien ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Eine Zensur sei nicht sinnvoll, die Meinungsfreiheit müsse weiterhin gewährleistet sein.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Golder. Er will, dass die grossen Firmen ihre Algorithmen in einem geschützten Rahmen der Forschung zugänglich machen. Man wisse noch sehr wenig über die Computerprogramme, die Inhalte auf Nutzer zuschneiden. Das müsse sich ändern.

Für Dominique Wirz ist klar: «Die sozialen Medien müssen das, was als journalistischer Inhalt ausgewiesen wird, stärker prüfen. Die Problematik verschärft sich weiter – nun sind die Plattformen in der Verantwortung.»

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