«Wir arbeiten bis zu 55 Stunden pro Woche»
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Post-Mitarbeiter am Limit:«Wir arbeiten bis zu 55 Stunden pro Woche»

Weihnachten und Corona bringt Post-Mitarbeiter ans Limit
«Wir arbeiten bis zu 55 Stunden pro Woche»

Jeder will die Geschenke rechtzeitig unterm Baum haben. Meist gelingt das – doch zu welchem Preis? Ein Besuch im grössten Paketzentrum der Schweiz.
Publiziert: 20.12.2020 um 11:42 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2020 um 10:41 Uhr
Paketzentrum der Post in Härkingen SO: 22 Stunden pro Tag laufen die Fliessbänder.
Foto: Thomas Meier
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Thomas Schlittler

Hier wird alles getan, damit es die Geschenke rechtzeitig ­unter den Christbaum schaffen – weshalb das Paketzentrum der Post in Härkingen SO alles andere ist als ein besinnlicher Ort ...

Um sechs Uhr in der Früh setzen sich hier die Fliessbänder in Be­wegung, aktuell sieben Tage die ­Woche. Erst um vier Uhr des da­rauffolgenden Morgens kommen sie wieder zum Stillstand.

In diesen 22 Stunden rattern ­unaufhörlich Pakete durch die riesige Halle, kreuz und quer. 483'000 waren es am 15. Dezember – neuer Rekord. «Damit ist unsere Ober­grenze erreicht, mehr geht nicht», sagt Beat Lindegger (51), stellver­tretender Leiter des Paketzentrums.

450 Festangestellte arbeiten in Härkingen, zurzeit kommen 150 Temporäre dazu. Mindestlohn: 4000 Franken pro Monat – mal 13. Die meisten Mitarbeiter laden Pakete von den Containern aufs Fliessband – und wieder zurück. Da­zwischen läuft vieles automatisch: «95 Prozent der Pakete sortiert der Scanner, der an jedem Band angebracht ist», so Lindegger.

Das Gerät erkennt anhand eines Strichcodes, in welche Region oder Ortschaft ein Paket muss. Der Computer kippt es dann dort, wo die entsprechenden Sendungen gesammelt werden, vom Band.

Der Computer erkennt nicht alles

Selbst mit Paketen, die von Hand adressiert wurden, kommt die Technik normalerweise klar. Für die restlichen fünf Prozent sind Codiere­rinnen wie Janka Sahdo (50) zuständig. Sie kontrolliert Adressen, die vom System nicht zugeordnet werden konnten. Falls möglich, druckt sie einen neuen Strichcode. Wenn nötig, leitet sie eine Rück- oder Nachsendung in die Wege.

«Meine Arbeit macht mir Freude», sagt die gebürtige Slowakin. Das ist offenkundig – ihr Strahlen ist trotz Maske nicht zu übersehen.
Sahdo arbeitet seit neun Jahren in Härkingen, kennt das Geschäft und weiss, was Weihnachten hier bedeutet. 2020 hat aber auch bei ihr Spuren hinterlassen: «Dieses Jahr war sehr schwierig für uns, insbesondere der Lockdown.» Da habe es nicht nur aussergewöhnlich viele Bestellungen gegeben, sondern auch mehr schwere Pakete als sonst. «Alle Mitarbeiter mussten sehr viel arbeiten.»

Danach habe sich die Lage etwas beruhigt. Doch seit dem Black Friday ist es wieder anstrengend: ­«Aktuell ­arbeiten wir jeden Samstag, dazu zwei Sonntage im Monat. Momentan sind das 50, manchmal bis zu 55 Stunden pro Woche.»

Die Post-Oberen wissen, dass ihr Personal am Limit läuft. «Wir sind uns bewusst, was für eine rie­sige Arbeit unsere Mitarbeitenden leisten», sagt Unternehmens­sprecherin Léa Wertheimer. Zum Zeichen der Wertschätzung habe man den Mitarbeitenden in den Filialen, in Brief- und Paketzentren sowie der Zustellung zweimal 500 Franken als Dankesprämie ausbezahlt.

Und bereits im Frühsommer seien etliche Massnahmen in die Wege geleitet worden, um die Paketschwemme bewältigen zu können. So sei die Zusammenarbeit mit den Briefzen­tren intensiviert worden – die sortierten nun wie im Lockdown täglich rund 150'000 Kleinpakete, um die Paketzentren zu entlasten. Zudem seien im Paketbereich seit Januar rund 500 Stellen aufgebaut worden. 800 temporäre Mitarbeitende sollen die Post darüber hinaus in der Weihnachtszeit verstärken. Wertheimer: «Wir setzen wirklich alles daran, die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche auch im Festverkehr einhalten zu können.»

20 Prozent mehr Pakete

Zugleich bittet die Sprecherin um Verständnis für die aussergewöhn­liche Situation: «2019 transportierte die Post im Schnitt 587'000 Pakete pro Tag. In diesem Jahr werden es voraussichtlich 716'000 sein. Eine Zunahme von mehr als 20 Prozent – absolut einmalig!»

Matteo Antonini, Leiter Sektor Logistik bei der Gewerkschaft Syndicom, zeigt denn auch Verständnis für die Ausnahmesituation des gelben Riesen. Auch die Bemühungen der Konzernleitung würdigt er: «Im Vergleich zu DPD, DHL oder anderen Privaten, die im Paketgeschäft auf ­einen Marktanteil von rund 20 Prozent kommen, ist die Post eine vorbildliche Arbeitgeberin.»

In einem Punkt kritisiert der Gewerkschafter die Unternehmens­spitze aber scharf: «Uns stört der Umgang mit den Temporären.» Dass die Post auf Hunderte Aushilfen zurückgreife, um das Weihnachts­geschäft bewältigen zu können, verstehe man. Problematisch sei jedoch, dass man auch in ruhigen Zeiten immer mehr Temporäre beschäftige. «Damit wälzt die Post das unternehmerische Risiko auf Menschen ab, die ohnehin mit wenig Geld auskommen müssen. Das geht nicht. Diese Leute gehören fest angestellt!»

Die Post bestreitet, dass sie die Einstellung von Temporären billiger komme. «Diese Leute haben den­selben Lohn wie die Festangestellten – und sie sind mit allen Zulagen für das Vermittlungsbüro unter dem Strich teurer für die Post», sagt Sprecherin Wertheimer.

Dennoch macht das Unternehmen Hoffnung auf Besserung: «Wir rechnen damit, dass die Menge der Pa­kete nachhaltig höher bleibt. Deshalb werden wir im Paketbereich auch in den kommenden Monaten zusätzliche Stellen schaffen.»

Wie viele das sein werden, hänge von der Entwicklung der Paketmengen ab. Die Gewerkschaften müssen sich in Geduld üben – ganz ähnlich wie der eine oder andere, der dieser Tage etwas länger auf das Eintreffen seiner Onlinebe­stellung warten muss.

Aufgrund der aktuellen Situation liefert die Post aktuell nur etwa 90 Prozent der Pakete pünktlich an die Haustüre. Normalerweise sind es 95 Prozent und mehr. Für manche Postkunden mag das unerfreulich sein. Aber seien wir ehrlich: Es ist gewiss nicht die schlimmste Nachricht in diesem verfluchten Jahr ...

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