Noch immer kann Marianna Zhukova (36) das Geschehene nicht fassen. Während das russische Ex-Model noch ums Sorgerecht kämpft, verschwindet der Vater des jüngsten Sohnes mit dem erst Zweijährigen in seine süditalienische Heimat. 1200 Kilometer von der Heimat seiner Mutter, dem waadtländischen Borex, entfernt. Ohne das Einverständnis der Mutter oder des kantonalen Gerichts.
Das letzte Mal, dass Marianna Zhukova den kleinen Gabriel sehen durfte, liegt nun über drei Monate zurück. Seitdem fragt sich die gelernte Sport-Managerin: Wann wird sie ihren Buben wieder in die Arme schliessen können? Wird die Schweiz den kleinen Gabriel heimholen? Und warum haben Kesb, im Tessin ARP genannt, und Gemeinde die Mutter nicht vor der Entführung ihres Kindes geschützt?
Beiständin bestimmte Ablauf der Besuchszeit zwischen Mutter und Sohn
Das Wohl des Kindes lag tatsächlich in der Hand einer Privatperson. Mirella B.* (56) ist Italienerin, somit Landsfrau des Kindsvaters. Sie war nicht als Sozialpädagogin tätig, sondern verkaufte Haarpflegeprodukte in einem Kosmetikladen in Lugano TI. Dennoch erhielt sie von der ARP in Massagno im Sommer 2019 das Mandat als Erziehungsbeiständin – und damit die Macht über Marianna Zhukova und ihrem Buben.
«Sie schikanierte mich», erzählt das Ex-Model aus Moskau, «sie sagte, sie würde die ARP repräsentieren und, wenn ich nicht kusche, mir die Besuche annullieren.» Marianna Zhukova beobachtete hingegen eine grosse Vertrautheit zwischen Beiständin und Kindsvater.
Mirella B.* beteuert gegenüber BLICK: «Ich habe von den Plänen des Kindsvaters nichts gewusst.» Wirklich? Am 14. August 2020 meldet die Gemeinde von Massagno den Buben ab, und trägt den neuen Wohnsitz ein: Montemiletto in Süditalien. Damit erhielt der Kindsvater grünes Licht für die Abreise. Das Bundesamt für Justiz erkennt darin nach dem Haager Abkommen eine klare Kindesentführung und fordert nun von den italienischen Behörden die Rückgabe des Buben. Der kleine Gabriel stand unter dem Schutz der ARP von Massagno. Warum wurde das Aufsichtsmandat an eine Privatperson vergeben? Aus Mangel an Fachpersonal, heisst es bei der Tessiner Kesb auf Anfrage des BLICK.
Meist gehen Mandate an Fachpersonen
Während in Massagno die meisten Kindesschutz-Mandate an Private gehen, liegt die Zahl schweizweit bei nur sieben Prozent. Das ergab eine vom Bundesamt für Justiz in Auftrag gegebene Studie. «Meist werden die Mandate an Fachpersonen vergeben. Es kann vorkommen, dass im Einzelfall beispielsweise Grosseltern oder Göttis im Kindesschutz eingesetzt werden», sagt Diana Wider, Generalsekretärin der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes). Im Fall des kleinen Gabriel jedenfalls hat der Schutz durch eine private Mandatsträgerin versagt.
* Name geändert