Keine Bundesbehörde erfreut sich auf Twitter einer grösseren Beliebtheit als das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Der Grund: die Corona-Krise. Inzwischen folgen dem BAG über 107'000 Twitter-Nutzer. Doch die Behörde will nicht jeden haben. Laut eines Berichts von «20 Minuten» wurden seit März 57 Abonnenten blockiert.
Daniel Dauwalder, Mediensprecher des Eidgenössischen Departements des Innern, verweist auf die Social-Media-Regeln des BAG. Laut diesen dürfen Nutzer nur Informationen verbreiten, die nach ihrem Kenntnisstand wahr und richtig sind. Ausserdem: «Sie verpflichten sich, Respekt zu zeigen. Unverständliche Kommentare, Werbebotschaften oder Falschmeldungen löschen wir oder blenden wir aus.» Weiter hält das BAG fest, persönliche Kritik sowie anstössige oder derbe Kommentare oder Beiträge, die das Urheberrecht verletzen, nicht zu akzeptieren.
Kotz- und Zorn-Emojis
Dieses Vorgehen stösst bei Twitter-Nutzern auf Kritik. Der Vorwurf: Zensur. Keinen Zugriff mehr auf den Twitter-Kanal der Gesundheitsbehörde hat zum Beispiel die Nutzerin «what kind of a world do we live in»: «Ich bin absolut schockiert, dass sich eine öffentliche Gesundheitsbehörde während einer internationalen Krise Bürger zu blocken erlaubt», sagt sie dem Bericht zufolge.
Die Nutzerin wurde demnach am Montag blockiert. Auslöser war offenbar ihre Reaktion auf einen Post des BAG, in dem es auf seinen Online-Coronavirus-Check aufmerksam machte. «Hattet ihr ein schönes Wochenende? Die Mitarbeiter auf den Intensivstationen nicht, falls es euch interessiert», antwortete die Nutzerin und postete dazu eine Reihe von Kotz- und Zorn-Emojis. Damit wollte sie den Umstand kritisieren, dass das BAG an den Wochenenden keine Fallzahlen mehr veröffentlicht. Laut der Userin entfernte das BAG ihren Kommentar. Darauf setzte sie einen neuen Tweet ab. «Entfernt meinen Post über eure freien Wochenenden ruhig, ich werde weiterhin posten!!! Ihr seid einfach widerlich.»
Statistik als Ursache?
Auch der Twitter-Nutzer «Will B. Ryde-O’Myaz (Bundesrataccount)» wurde vom BAG verbannt. «Meine Kommentare zum BAG und zu den Corona-Ignoranten, die die Kommentarspalte der täglichen BAG-Posts fluten, hatten wohl zum Block geführt», sagt er. Der Nutzer gibt zu, dass nicht alle seine Kommentare sachlich waren und die Emotionen gelegentlich hochkochten. «Was aber in meinen Augen nicht geht, ist, dass eine Bundesbehörde User mundtot macht. Das ist einer Bundesbehörde in einem demokratischen Rechtsstaat nicht würdig.»
Ein Nutzer namens «Auferstehung» erklärt, er sei geblockt worden, weil er dem BAG anhand einer Statistik eine seit Monaten anhaltende Untersterblichkeit trotz Coronavirus habe belegen wollen. «Wir müssen die Meinungsfreiheit in der Schweiz verteidigen. Kritische Stimmen dürfen nicht unterdrückt werden», fordert er.
«Belangloses und uninteressantes Geplapper»
Wie ein Blick auf den BAG-Twitter-Kanal zeigt, sind die kritischen Stimmen zur Corona-Strategie des Bundes trotz der blockierten Nutzer nicht gänzlich verschwunden. So kommentiert Twitter-Nutzer Sigi zum Beispiel einen Post zur BAG-Pressekonferenz vom Dienstag: «Wer schaut dieses belanglose und uninteressante Geplapper noch?» Ein weiterer Nutzer lässt sich zu einem Vergleich zwischen der Anzahl der am Wochenende verstorbenen Covid-19-Patienten in der Schweiz und den Opfern der Mega-Explosion in Beirut hinreissen. «Behördenversagen war ja in beiden Fällen massgeblich.»
Unter Parlamentariern gibt es Sympathisanten für beide Seiten. CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler unterstützt das Vorgehen gegen kritische oder unsachliche Posts. «Durch Social Media haben wir in dieser Krise ein Kommunikations-Wirrwarr sondergleichen.» Der Twitter-Kanal der Behörde solle informativ sein für alle Bürger. «Es ist daher legitim, wenn das BAG User blockiert, die Kritik üben.» Marcel Dobler, FDP-Nationalrat und Gründer der Plattform Corona-Dialog, sieht das anders: «Das BAG muss als öffentliche Behörde mit grosser Reichweite die Meinungsfreiheit zulassen.» (noo)