Was Teenager in Sex-Not erzählen
«Da habe ich mich halt oben ausgezogen!»

Es beginnt als Spass und endet im Horror. Kinder und Jugendliche versenden privat verfängliche Fotos, die dann plötzlich öffentlich werden. Hier erzählen sie davon.
Publiziert: 13.03.2014 um 21:50 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:36 Uhr
Foto: stock.xchng
Von Walter Keller

«Sexting» ist ein neues, bei Minderjährigen weit verbreitetes Phänomen. Der Ausdruck setzt sich aus zwei Worten zusammen: Sex und Texting (engl. für Kurzmitteilungen versenden). Kinder und Jugendliche spielen mit den Smartphones die härtere Variante dessen, was früher «Tökterle» hiess. Sie produzieren aus Spass verfängliche Fotos oder Nacktbilder und schicken sie in die Welt hinaus. Dort verlieren sie die Kontrolle über ihre «Selfies», wie man Selbstporträts heute nennt.

Was als Spass beginnt, kann zum Horror werden. Das zeigen anonymisierte Beratungsprotokolle der Notrufnummer 147 der Pro Juventute. Vorteil der Nummer: Alles läuft ohne ­Namen ab, die Anrufenden können frei reden.

Sie ist 15 Jahre alt und ärgert sich über den Blödsinn, den sie letzte Nacht angestellt hat. Auszug aus dem Gespräch mit der Telefonberatung:

«Also, ich habe geskypt mit einem Kollegen. Und da hat er gefunden, wir könnten uns ja ein wenig ausziehen, so zum Spass. Und es war so lustig, da habe ich mich halt oben ausge­zogen. Und jetzt sind diese Bilder im Netz, und ich kann gar nichts mehr tun!»

«Puh, ja, eine unangenehme Situation. Wie kann ich dich jetzt am besten unterstützen?»

«Ach, ich brauche einfach ­jemanden, um Dampf abzulassen. Ich kann sonst mit niemandem reden, weil es mir so peinlich ist. Grad kürzlich habe ich mit meinem Vater über so Internetzeug geredet, und es war für mich so klar, wie gefährlich dies sein kann. Ich habe mir nicht im Traum vorstellen können, dass mir das mal passiert.»

«Hast du schon Kontakt aufgenommen mit deinem Kollegen und ihm von deinem unguten Gefühl erzählt? Manchmal kann dies hilfreich sein.»

«Nein, aber das ist eine gute Idee. Ich werde ihn anrufen und ihm sagen, dass er die Bilder nicht gebrauchen darf und am besten alles löschen soll.»

Auch Mädchen schlagen zu, wie der Anruf eines Jungen zeigt. «Gäll, diese Anrufe sind vertraulich», will der 14-Jährige wissen, bevor er loslegt:

«So eine Idiotin, die ich aus der Schule kenne, ist an einer Party ins Jungs-Klo reingekommen, und ich war grad auf dem Klo. Und sie hat einfach ein Foto unter der Tür durch gemacht und ist wieder abgehauen! So gemein! Alles ging so schnell, dass niemand reagiert hat! Und dann ist es noch weitergegangen. Sie hat das Foto nämlich auf Facebook hoch­geladen als Lachnummer!»

Der Junge ist sich bewusst, die Bilder sind jetzt auf dem Netz. Kann er das rückgängig machen? Die Beratung informiert ihn, dass Fotos gegen den Willen einer Person verboten sind und er bei Facebook melden kann, dass das Bild gelöscht werden soll. Beides nimmt er erleichtert zur Kenntnis.

Der ungeschützte Zugang von Minderjährigen zu Pornografie hat unseren Umgang mit Intimität verändert. Kinder und Jugendliche können auch Gleichaltrigen nicht mehr trauen. Wer sich dem ersten Freund oder der ersten Freundin in verfänglicher Pose zeigt, gibt seinem Gegenüber eine entsicherte Waffe in die Hand.

Das Gefühl des Vertrauensbruchs und Ausgeliefertseins bringt auch eine 15-Jährige zur Notfallnummer:

«Grüezi – eh, ich bin – muss ich meinen Namen sagen? Es ist mir voll peinlich.»

«Nein, das musst du nicht – unser Gespräch ist vertraulich, Deinen Namen wird niemand erfahren.»

«Ich war da mit einem Jungen zusammen – er wollte unbedingt Bilder von mir – ähm» (ihre Stimme wird zittrig, weinerlich).

«Dieser Junge, dein Freund, er wollte Bilder von dir?»

«Ja, ja – also, ich wollte ihm diese Bilder nicht schicken – er schickte mir Bilder von sich – in Boxershorts, so Bilder.»

«Er schickte von sich Bilder und wollte im Gegenzug auch Bilder von dir?»

«Ja – genau ...» (sie ist still)

«Als Liebesbeweis?»

«Ja, eben, das machte mir grossen Druck – ich liebe ihn ja so –, dann habe ich ihm die Bilder von mir im BH geschickt.»

«Was genau ist der Auslöser, dass du 147 anrufst? Was ist passiert?»

«Wir sind nicht mehr zusammen – er hat Schluss gemacht –, und er – und er» (sie beginnt zu weinen), «er hat mein Bild seinen Kollegen weitergeschickt.»

Die Beratungsperson zeigt dann wieder Möglichkeiten auf, wie das Mädchen die Löschung der Bilder auf Facebook verlangen kann. Das Gespräch endet mit: «Sie haben mir voll gut geholfen, danke.»

Das klingt zwar nach Harmonie, im Stil von: «Und alles war wieder gut.» Doch nein! Die neue Allgegenwart von Pornografie banalisiert und beeinflusst die Erlebniswelt einer ganzen Generation von Heranwachsenden.

Ob das schlimm ist oder nicht, lässt sich diskutieren. Die Doppelmoral der Erwachsenenwelt aber sagt, Pornografie und Sex seien Themen, die hinter verschlossene Türen gehören. Minderjährige erleben das hingegen anders: Das Internet ist öffentlich und damit auch alles Private und Intime.

Dieser Widerspruch produziert bei Teenagern Schuld- und Schamgefühle. Und Einsamkeit. Wie brachte es die 15-Jährige auf den Punkt? «Ich kann sonst mit niemandem reden, weil es mir so peinlich ist.»

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