US-Präsident Joe Biden (78) hat seine Europatournee intensiv dazu genutzt, sich auf das Gipfeltreffen mit seinem russischen Gegenüber Wladimir Putin (68) vorzubereiten. Biden, so heisst es aus dem Umfeld des US-Präsidenten, wolle die Fallstricke vermeiden, in denen sich seine Vorgänger bei Showdowns mit Russlands starkem Mann verfingen.
Am Mittwoch werden beim Genfer Gipfel zwei Gesprächsrunden zwischen Biden und Putin geführt – eine im engen Kreis, eine mit erweiterten Mitarbeiterstäben. Biden werde gegenüber Putin «einige ziemlich harte Botschaften» übermitteln, wie der britische Premier Boris Johnson (56) nach seinen Gesprächen mit dem US-Präsidenten ankündigte. Dies ein Hinweis darauf, dass sich Biden und Johnson in den letzten Tagen intensiv über Putin austauschten.
Kein Schlagabtausch vor den Kameras
Der US-Präsident hat auch G7-Staats- und Regierungschefs um Rat gefragt, die mit Putin bereits Gespräche geführt haben. Besonders Johnson und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) sollen ihm Hinweise bezüglich Gesprächstaktik und Verhalten gegeben haben. Putin soll sogar während Bidens Tee mit Königin Elizabeth II. (95) auf Schloss Windsor zur Sprache gekommen sein.
Biden wünscht nach eigenen Worten keinen offenen Schlagabtausch vor laufenden Kameras. Am Sonntag erklärte er, der Gipfel sei «kein Wettbewerb darüber, wer sich bei einer Pressekonferenz besser schlägt oder besser darin ist, sich gegenseitig in Verlegenheit zu bringen».
Für Putin hingegen dürfte allein schon das Treffen mit Biden ein persönlicher Sieg sein, so die Einschätzung von Sicherheitsexperte Benno Zogg von der ETH: «Ein solcher Gipfel suggeriert Augenhöhe, und das ist auch das, was Putin sucht: dass er mit den Mächtigen als Gleichberechtigter am Tisch sitzt.» Und: «Putin wird das zu Hause gut verkaufen, dass er auf einer Ebene mit Biden geredet hat.»
Jeder kleine Schritt ist ein Erfolg
Dass es echte inhaltliche Annäherungen geben wird, glaubt Zogg eher nicht. «Wenn der Gipfel wie geplant läuft und keine Partei aus irgendeinem Grund rausstürmt, ist es am Ende schon ein Erfolg, wenn beide vor die Fotografen treten und sich die Hand schütteln können», so die Experten-Prognose.
Aber auch ohne konkrete Einigungen könnte der Gipfel zum Erfolg werden – und den Grundstein für eine zukünftige Annäherung legen: «Wenn man einen Kontakt etabliert hat, kann man darauf aufbauen», sagt Zogg. «Nach so einem Gipfel könnten gewisse Kontakte auf Ministerebene oder zwischen Militärs hergestellt werden. Das wäre schon mal etwas. Einfach die Kommunikations- oder Dialogwege wieder öffnen.»