Einst war er der Herrscher der Lüfte. Der Kolumbus über den Wolken. Heute befindet sich der Pilot meist im Stellungskrieg mit dem Airline-Management. Chronik eines Sinkflugs.
«Man sitzt in einem winzigen Führerraum ganz dicht hinter dem Sternmotor. Es ist keine Verbindung zur Kabine da. Man fühlt sich ganz vorn, ganz allein und frei.» Diese Zeilen bringt Walter Ackermann in den 1930er-Jahren zu Papier, Pilot der Lockheed Orion, des roten Hunds, wie sie den Flieger nennen.
Es ist damals das schnellste Passagierflugzeug der Welt, die gerade gegründete Swissair hat sich den Vierplätzer angeschafft. Es ist die Zeit der Luftfahrtpioniere. Der grösste von ihnen ist Walter Mittelholzer, Mitgründer der Swissair, der an seiner Maschine einen Fotoapparat montiert, um die Schweiz neu zu vermessen.
Es sind die Piloten, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Swissair vorwärtsstossen. Einer von ihnen: Robert Fretz, seit 1937 bei der nationalen Airline und erster Präsident der 1945 gegründeten Pilotengewerkschaft Aeropers. Er erkennt wie kein Zweiter, dass die Luftfahrt in eine interkontinentale Dimension hineinwächst.
Die Technik dafür haben die Amerikaner im Krieg mit ihren Langstreckenbombern entwickelt. Es sind die Piloten, die gegen ein zauderndes Management den Einstieg der Swissair in den Interkontinentalverkehr durchdrücken: Am 2. Mai 1947 startet erstmals eine DC4 in Swissair-Farben von Genf Richtung USA und landet nach 20 Stunden und 55 Minuten in Washington.
Es ist der Startschuss zur Eroberung der Welt durch die Piloten der Swissair. 1948 tauchen sie erstmals in Südamerika auf, 1957 im Fernen Osten, 1962 in Afrika. In den 1970er-Jahren geben Grossraumjets der Luftfahrtbranche neuen Schub. Der grösste von ihnen ist der Jumbo. Als der erste dieser Kolosse am 27. Februar 1971 in Kloten ZH landet, ist Swissair-Captain Ernst Hürzeler begeistert: «Kaum zu glauben. Keine einzige Beanstandung!»
Und heute? Bei denen, die in Pension gehen, herrscht Nostalgie. Etwa bei Roland Bütler. Im Frühherbst fliegt er seine letzte Rotation nach Chicago, ein letztes Mal taucht er in jene «Parallelwelt von Abflug und Landung ein», wie er dies gegenüber der «Berner Zeitung» nennt. Der Abschied? «Ja, das geht unter die Haut.»
Und die, die bleiben, wehren sich ihrer Haut. Es geht nicht einmal in erster Linie um Löhne. Es geht um die über Jahrzehnte gewachsene Sicherheitskultur, die verloren zu gehen droht, wenn Piloten aus Kostengründen von überall her angeheuert werden.
Das droht, wenn die Swiss demnächst die Umschulung auf neue Boeing-Maschinen startet. Dann nämlich, wenn sich nicht genug Aeropers-Piloten dafür melden. Sie stecken in einem Dilemma: Willigen sie ein, tun sie es zu schlechteren Vertragskonditionen. Tun sie es nicht, öffnen sie das Swiss-Cockpit für Quereinsteiger, die in anderen Sicherheitskulturen gross geworden sind.
Fragt man langjährige Piloten, ob sie den Beruf wieder ergreifen würden, sagen viele: «Nein.»