Darum gehts
- 24-Stunden-Verfahren für nordafrikanische Asylsuchende dauern durchschnittlich 22 Tage
- Staatsanwaltschaften planen Strategiewechsel zur Beschleunigung komplexer Verfahren
- Zahl der Gesuche aus dem Maghreb deutlich zurückgegangen, Asylsuchende halbiert
Junge Männer aus Maghrebstaaten dominieren die Asyldebatte in der Schweiz seit Jahren. Die Chance auf Asyl ist bei Nordafrikanern gering – über 99 Prozent werden abgelehnt. Gleichzeitig tauchen sie überdurchschnittlich oft in der Kriminalstatistik auf.
Asylminister Beat Jans zeigte deshalb vor gut einem Jahr Härte: Nach einem Testbetrieb in Zürich weitete er die 24-Stunden-Verfahren für nordafrikanische Asylsuchende auf die ganze Schweiz aus. Ziel war es, die Asylzentren schneller von nicht schutzbedürftigen Personen zu entlasten.
Anders als der Name suggeriert, dauern diese Verfahren jedoch weit länger als 24 Stunden. Gesetzliche Fristen und fehlende Papiere bei rund 90 Prozent der Betroffenen führen zu aufwendigen Abklärungen.
Die «NZZ am Sonntag» deckte im Mai 2024 auf, dass die Verfahren im Zürcher Testlauf im Schnitt zwölf Tage in Anspruch nahmen. Jans erntete von der SVP den Vorwurf eines «Marketing-Gags» und den Übernamen «Ankündigungsminister». NGOs warfen ihm vor, das Verfahren als Wunderlösung verkauft zu haben, obwohl es primär der Abschreckung diene.
Zwölf Tage waren noch heilig
Doch selbst die zwölf Tage scheinen heute schnell: Nach der landesweiten Einführung dauert ein solches Verfahren aktuell durchschnittlich 22 Tage, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage bekannt gibt. Die Hälfte der Verfahren würde jedoch in 14 Tagen oder weniger erledigt. Beat Jans könnte sein Prestigewerkzeug in der Asyldebatte also getrost in 24-Tage-Verfahren umbenennen.
Die Massnahme zeigt dennoch Wirkung: Die Zahl der Gesuche aus dem Maghreb ist laut SEM deutlich zurückgegangen, in den Bundesasylzentren hat sich die Zahl der nordafrikanischen Asylsuchenden halbiert.
Wenig abschreckend wirken die Verfahren jedoch auf kriminelle Intensivtäter. Einige wenige, oft medikamentenabhängige Täter aus Nordafrika sorgen 2024 erneut für eine Diebstahlwelle – und dafür, dass alle Asylsuchenden unter Generalverdacht geraten.
Sie brechen in Häuser und Geschäfte ein, zertrümmern Autoscheiben auf der Suche nach Wertsachen. Obwohl sie oft erwischt werden, sind sie innert 24 Stunden wieder frei und werden erneut straffällig: Einfache Diebstahlsdelikte reichen nicht, um die Verdächtigen in Untersuchungshaft zu stecken.
Die Strafverfolger sind weitgehend machtlos. Zwar zieht ein Diebstahl in Verbindung mit Hausfriedensbruch einen Landesverweis nach sich, doch wenn die Betroffenen beim Urteil untergetaucht sind, bleibt das Symboljustiz, die wirkungslos verpufft.
Staatsanwälte ändern Strategie
Nun kommt Bewegung in die Sache. Die Staatsanwaltschaften planen einen Strategiewechsel. Ziel: die oft sehr komplexen Verfahren massiv beschleunigen und rasche Urteile ermöglichen.
Heute kommt es häufig zu grossen Sammelverfahren: «Typischerweise sind die Täter in wechselnder Zusammensetzung über Kantons- und Sprachgrenzen hinweg aktiv», sagt Daniel Burri, Oberstaatsanwalt Luzern und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Staatsanwaltschaftskonferenz (SSK).
Allein die Zuständigkeitsklärung zwischen den Kantonen kostet Zeit. Hinzu kommen schlecht vernetzte Datenbanken und die schleppende Digitalisierung.
Burri leitet eine SSK-Arbeitsgruppe, die sich mit maghrebinischen Intensivtätern befasst. Sie empfiehlt eine neue Praxis: Grosse Verfahren sollen früh aufgeteilt werden. Statt aufwendiger Megafälle sollen Staatsanwältinnen mehrere kleinere Verfahren führen. Dafür, sagt Burri, sei jedoch eine engere Zusammenarbeit der Kantone nötig.
Gefängnis zur Abschreckung
Doch auch effiziente Verfahren reichen nicht, wenn Täter nach Belieben untertauchen können. Deshalb fordern die Kantone schärfere Gesetze vom Bund, um Wiederholungstäter nicht umgehend wieder freilassen zu müssen. Karin Kayser-Frutschi, Justizdirektorin Nidwalden und Präsidentin der Polizeidirektorenkonferenz (KKJPD), sagt: «Wir haben uns bei Bundesrat Jans dafür eingesetzt, die Rechtsgrundlagen in diesem Bereich zu verschärfen.»
Im April wurden die Hilferufe der Kantone erhört, die «Taskforce Intensivtäter» wurde eingesetzt. Sie soll Vorschläge erarbeiten, wie die Inhaftierung vereinfacht werden kann. Eine Idee: Kleinkriminelle auch ohne U-Haft bis zum Urteil festhalten zu können – um ein Untertauchen zu verhindern. Dafür bräuchte es wohl schärfere Gesetze, die das Anordnen von Administrativhaft erleichtern würden.
Das sei nur eine von mehreren möglichen Anpassungen, sagt Mitte-Politikerin Kayser-Frutschi. Es brauche neben härteren Gesetzen vor allem eine engere Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden: «Nur so können wir der Kleinkriminalität von Asylsuchenden schnell und wirksam begegnen.»