Vertrag für Gurlitt-Sammlung unterschrieben
Acht Bilder für Bern

Um die Bilder, die Cornelius Gurlitt in seiner Wohnung hortete, ranken sich Mythen, denn sie wechselten in der Nazizeit die Hand. Ein Teil der Werke wird künftig in Bern zu sehen sein.
Publiziert: 25.11.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:41 Uhr
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Schön, streng und ein ganz wenig verboten: Otto Dix, «Dompteuse», 1922.
Von Michael Merz

Dass die Sammlung Gurlitt nach Bern gehen würde, wusste jeder, der damit zu tun hatte. Doch keiner wollte sich dazu äussern. Die Causa Gurlitt, der Nachlass des Cornelius Gurlitt – eine Sammlung von Bildern und Skulpturen, die man in der Münchner Wohnung und im Salzburger Haus des Kunsthändlersohns behändigt hat­te –, galt als rechtlich hoch toxisch. Verseucht mit den Verbrechen der Nazis: Raubkunst, von verfolgten Juden erpresst oder gestohlen. Billig aufgekauft aus Beständen, die als «Entartete Kunst» in keinem deutschen Museum hängen durften.

Es war ein riesiges Konvolut aus dem Nachlass seines Vaters, Hildebrand Gurlitt, der sich erst für die Künstler des deutschen Expressionismus starkgemacht hatte, dann aber für die Nazis zum offiziellen Beschaffer grosser Kunst wurde. Damit sollte das Linzer Führer-Museum ausgestattet werden. Für Göring durchwühlte Gurlitt die Museen in den eroberten Gebieten Europas nach Meisterwerken.

Entnazifizierung, Beschlagnahme, Freigabe

In Dresden ausgebombt, finden wir Familie Gurlitt bei Kriegsende in Bamberg, ein Entnazifizierungsverfahren läuft. Die Sammlung wird von den amerikanischen Monuments Men beschlagnahmt, dann freigegeben. Schliesslich entschwindet sie aus der Öffentlichkeit. Wer nachfragt, erfährt, sie sei bei der Bombardierung Dresdens verbrannt.

Doch seltsam: In nationalen und internationalen Kunstausstellungen der 50er-Jahre tauchen Leihgaben aus der Sammlung auf, die ja verbrannt sein müsste!

Hildebrand stirbt 1956, seine Frau Helene 1968. Die beiden Kinder Cornelius (*1932) und Helene (*1935) erben eine Sammlung, die niemand kennt. Ab und an wird etwas verkauft. Sie bleibt aber im Grunde, was sie immer war: die Mischung eines Galeriebestandes, also Bilder, die nicht verkauft wer-den konnten, und jene Kunst, die Hildebrand Gurlitt selbst gesammelt hatte. Es sind diese Kunstwerke, die nach dem Fund in Gurlitts Wohnung erst euphorisch mit einem Milliardenwert benannt nun ins Kunstmuseum Bern kommen. Allerdings ohne jene Werke, die eine Taskforce als bedenklich einstuft. Deren Kosten übernimmt Deutschland, ebenso die Rechtskosten für die Restitution der Bilder.

Nur ein Bruchteil kommt nach Bern

Was also ans Kunstmuseum Bern kommen wird, ist nur ein Bruchteil der über 1000 Kunstwerke, die ausmachten, was man gemeinhin als Sammlung Gurlitt bezeichnet. Es sind vor allem sogenannte kleine Werke, Skizzen, Zeichnungen, Drucke und Aquarelle. Das, was Kunsthändler gerne selbst sammeln. Ölbilder von erster Güte werden kaum darunter sein.

Allerdings bringt dieser Restbestand auch etwas nach Bern, was dem Museum auf ganz andere Weise zustatten kommt: Mag die Sammlung durch ihre Geschichte mit negativen Gefühlen verbunden sein, ist sie durch ihre Geschichte auch mit dem Attribut «Das Abenteuer einer Sammlung» ausgezeichnet. Sie weckte Neugierde. Selbst bei einem Publikum, das nie ein Museum betritt. Und sie steht für jenen Moment, als es Deutschland gelang, sich mit der Schande seines Umgangs mit Menschen, der Kunst und den Künstlern einer ganzen Generation gültig zu beschäf­tigen. Es ist der Anfang einer Aufarbeitung, deren Ende noch nicht abzusehen ist.

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