Turnschuhe statt Kampfstiefel, weniger Drill, kürzere Märsche, mehr Schlaf
Kommt jetzt die Wellness-RS?

Viel zu viele Rekruten verlassen die RS nach kürzester Zeit. Jetzt soll eine RS light dies verhindern. Altgediente Offiziere protestieren gegen das Testprojekt der Armee.
Publiziert: 23.02.2017 um 15:22 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:10 Uhr
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«Eine Rekrutenschule ist keine Ferienkolonie!»
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Guy Parmelin zur Softie-RS:«Eine Rekrutenschule ist keine Ferienkolonie!»

Nach wenigen Wochen in der Rekrutenschule verabschieden sich auch deshalb immer mehr junge Männer vom Armeedienst. Laut «Tages Anzeiger» werden dieses Jahr rund 3000 Rekruten wegen «medizinischen Gründen» aus der Armee entlassen. Damit diese Ausfallquote sinkt, hat die Armee jetzt das Konzept «Progress» ins Leben gerufen. 

Stossrichtung: Statt den Neo-Rekruten erst mal den Tarif durchzugeben, soll ihnen der Einstieg «so sanft wie möglich gemacht und die Belastung danach sukzessive gesteigert werden», wie der «Tages Anzeiger» schreibt. Testweise wird dieses neue Konzept seit mehreren Jahren in den Infanterieschulen von Colombier NE angewandt. Jetzt sollen auch andere Standorte die «RS light» anwenden.

Rekruten dürfen sich auf ihren Rucksäcken ausruhen

«Wir wollen die jungen Männer gewinnen – und nicht ihren Willen brechen», sagt Luca Bottesi, Schulkommandant in Colombier dem «Tages-Anzeiger». «Den Rekruten von heute müssen Sie überzeugen und begeistern, anders geht es nicht.» Denn «ob wir das wollen oder nicht», habe sich die Gesellschaft und somit auch die Jugend gewandelt.

Das Symbol dieses Wandels ist der Kampfstiefel 90. Tausende ältere Militärangehörige pflegten eine Hassliebe zu dem schweren Schuh. Bei den heutigen Rekruten wird aus dem Hass offenbar nie eine Liebe – ganze Züge landen mit Knie-, Fuss- oder Achillessehnenproblemen nach Märschen auf der Krankenstation. Neu dürfen die Rekruten öfter in bequemeren Schuhen ihre Pflicht tun. «Die Turnschuhe werden im Kampfrucksack mitgeführt. Auf dem Weg zu den Ausbildungsplätzen tragen die Rekruten Kampfstiefel, auf dem Rückweg Turnschuhe», sagt Bottesi. Das Marschieren in Formation wird zudem zu Beginn in Turnschuhen geübt.

«So wird die Rekrutenschule zum Pfadi-Lager»

Weitere Neuerungen: Die Marschdistanzen werden in den ersten Wochen verkürzt, dem Rekruten ist es erlaubt, sich gemächlichen Schrittes statt im Laufschritt zu verschieben. Und wenn der Vorgesetzte die «Daher-Formation» einberuft, dürfen sich die Rekruten sogar auf ihren Kampfrucksack setzen. Ob diesem Anblick sieht wohl wo mancher altgedienter Offizier den Untergang der helvetischen Militärtradition. Denn bisher gab ein solches Verhalten mindestens einen gehörigen «ZS» (für alle nicht Militärkenner, das heisst Zusammenschiss).

Die Testphase dieser neuen Armee light hat Erfolg: Die Ausfallquote in seiner Schule konnte Bottesi auf rund acht Prozent senken. Armeeweit liegt sie in den Rekrutenschulen bei gut zwölf Prozent. «Früher forderte man von den Rekruten zu Beginn vollen physischen Einsatz und liess dann mit Dauer der RS nach.» Sie würden es umgekehrt machen, «was ja auch logisch erscheint».

Zudem sei bei ihm der Kasernenhofton passé. Er gibt Rekruten möglichst viele Informationen, statt sie sinnlos anzubrüllen. Auch ist er der Meinung, dass ein ausgeschlafener Rekrut dem Land besser diene als ein übernächtigter. Tagwache sei nicht mehr vor sechs Uhr, und sechs bis sieben Stunden Nachtruhe werde in der Regel immer eingehalten, erklärt Bottesi im «Tages-Anzeiger». 

Willi Vollenweider, Präsident der Milizorganisation Gruppe Giardino, läuft nun Sturm gegen diese RS light. «Die jungen Männer wollen Erlebnisse, wollen an ihre Leistungsgrenze gebracht werden», sagt er. «Diese Massnahmen gehen komplett in die falsche Richtung. So wird die Rekrutenschule zum Pfadi-Lager.» (vfc)

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