«Die lassen uns nicht in die Schweiz», sagt die 32-jährige Kumrije K.* Sie und ihre Familie kommen aus Österreich und dürfen nicht in die Schweiz einreisen. An der Grenze wurden sie von Schweizer Zollbeamten abgewiesen. Obwohl die Familie seit Februar eine Wohnung im Kanton Aargau gemietet hat.
Deshalb schläft die Österreicherin mit ihrem Mann, Burim K.* (37), ihren drei bis zwölf Jahren alten Kinder und deren Grossmutter seither im Auto. «Wir haben nur das Nötigste dabei. Wir wissen nicht mehr weiter», sagt K. zu BLICK.
«Fast unser ganzer Besitz ist schon in der Schweiz»
Eigentlich lief für die Familie aus Wien alles bestens: «Im Januar hab ich einen Job bei einer Tankstelle gefunden und eine Wohnung im Kanton Aargau für uns. Ich war sehr glücklich», erzählt die vierfache Mutter. Im Februar unterzeichnen sie und ihr Mann den Vertrag für ihre neue Wohnung in der Schweiz. Zugleich vermietet die Familie ihre Wohnung in Wien an ein deutsches Ehepaar. Ihr Mietvertrag läuft aber erst am 1. April aus.
Kumrije K. tritt anfangs Februar ihre neue Stelle bei der Tankstelle in der Schweiz an und zieht alleine in die neue Wohnung ein. Ihr Mann bleibt mit den vier Kindern und deren Grossmutter noch in Österreich. «Im März haben wir dann schon mal all unsere Möbel, Kleider und weitere Dinge gezügelt. Fast unser ganzer Besitz ist schon in der Schweiz», sagt sie.
«Haben nur den Kopf geschüttelt und gesagt wir sollen wieder umkehren»
Am letzten Dienstag ist es dann soweit: Die Familie übergibt den Schlüssel der Wohnung in Wien und fährt in Richtung Schweiz. Nach zwölf Stunden kommen sie am späten Abend bei der Grenze bei Hohenems (A) an. «Wir waren alle ziemlich müde und wollten nur noch über die Grenze in unsere neue Wohnung», sagt die 32-Jährige.
An der Grenze der Schock, sagt Kumrije K: «Die Polizisten sagten uns, dass nur ich in die Schweiz darf.» Grund: Sie hat als einziges Familienmitglied eine Meldebestätigung.
«Das war schrecklich»
K. gibt nicht auf und zeigt alle Pässe, die EU-Visa ihres Mannes und der Grossmutter, die Dokumente der Wohnung und bittet verzweifelt, sie durchzulassen. Aber: «Die haben nur den Kopf geschüttelt und gesagt, wir sollten wieder umkehren.»
In Österreich mussten mittlerweile alle Hotels schliessen. Verwandte in Österreich habe die Familie keine. K.: «Wer nimmt schon in Corona-Zeiten eine Grossfamilie bei sich auf. Niemand.» Deshalb blieb der Familie nur noch die Nacht im Auto übrig. «Das war schrecklich. Draussen war es minus sechs Grad. Und wir konnten ja nicht die ganze Nacht die Heizung anlassen.»
Zur Zeit keine Einreisebewilliung
Am nächsten Tag ruft K. die Migrationsbehörden in der Schweiz an und bittet um die Einreisebewilligung für den Rest der Familie. «Doch die haben mir gesagt, sie dürfen wegen der Corona-Krise momentan keine Einreisebewilligungen mehr ausstellen», sagt sie.
Deshalb schläft die Familie weiter im Auto auf einem Parkplatz vor einer Tankstelle. Dort kann die Familie Lebensmittel kaufen und auf dem Parkplatz befindet sich eine öffentliche Toilette. «Ich wünsche niemanden diese Situation. Wir sind am Ende unserer Kräfte», sagt Kumrije K.
Am nächsten Montag würde sie nach einer Woche Ferien wieder arbeiten. Aber: «Wo soll meine Familie dann hin? Wir haben nur dieses eine Auto zu Verfügung», stellt die Mutter fest. K. weiss nicht mehr weiter und sagt: «Wir brauchen jetzt dringend Hilfe der Schweizer Behörden.»
Nur Personen mit einer Arbeitsbewilligung oder Meldebestätigung dürfen in die Schweiz einreisen
Auf Anfrage beim Staatssekretariat für Migration (Sem) heisst es, dass man zu Einzelfällen keine Stellung nehme. Aber: «Grundsätzlich ist es tatsächlich so, dass derzeit nur Personen aus EU-Ländern einreisen dürfen, die eine Arbeitsbewilligung oder Meldebestätigung haben», sagt Mediensprecher Lukas Rieder zu BLICK.
Dies sei eine neue Regelung zur Bekämpfung des Coronavirus, sagt Rieder und erklärt: «Diese gelten jeweils für die Person, zuhanden der sie ausgestellt wurden und schliesst Familienmitglieder nicht mit ein.»
Die Nacht auf den Freitag konnte die Familie bei Freunden in Österreich verbringen. Das sei aber keine Lösung auf Dauer, meint K. und sagt: «Wir sind jetzt 13 Personen in einer kleinen Wohnung und wir können auch nicht lange bleiben.» (sib)
*Name bekannt