Für 46'468 Spieler in der Schweiz gilt: «Rien ne va plus.» Sie sind mit einer Spielsperre belegt, dürfen kein Casino betreten. Seit 17 Jahren ist diese Massnahme im Gesetz verankert. Doch ob sie tatsächlich wirkt, wurde nie überprüft.
Nun hat die Hochschule Luzern die Spielsperre untersucht – die Studie liegt SonntagsBlick exklusiv vor. Analysiert wurden Hunderte Gespräche mit Glücksspielsüchtigen, die ihre Sperre aufheben lassen wollen. 88 Prozent von ihnen gaben an, dass sie trotz Sperre weiterzocken. «Die meisten weichen auf Casinos im Ausland aus», sagt Autorin Suzanne Lischer (41). «Viele steigen auch auf Lotterie-Angebote um. Andere spielen stattdessen im Internet oder bei illegalen Anbietern. Wenige fälschen gar den Ausweis, um in das Casino zu kommen.»
Grundsätzlich sei die Spielsperre eine sinnvolle Massnahme. «Es muss aber hinterfragt werden, ob sie das einzige Instrument des Spielerschutzes sein sollte.»
Spielsperre auch für Onlineangebote
Die Zeit, um weitere Massnahmen zu ergreifen, drängt. Der Bund hat ein neues Geldspielgesetz entworfen, das vom Ständerat bereits angenommen wurde. Im März entscheidet der Nationalrat. Neu aufgenommen wurde eine Spielsperre für Onlineangebote. «Das begrüssen wir sehr», sagt Monique Portner (48) von der Stiftung Sucht Schweiz, welche nächste Woche im Rahmen des «Suchtpanorama 2017» vertieft über das Thema Geldspiel informieren wird.
Man habe etliche Vorschläge gemacht, um Spieler durch das neue Gesetz besser zu schützen, etwa eine Spielsuchtabgabe, die von den Casinos zu leisten wäre. «Das kam bisher leider nicht durch – der Spielerschutz hat einen äusserst schweren Stand», so Portner.
Zusätzlich eine therapeutische Behandlung
Franz Eidenbenz (60) vom Zürcher Zentrum für Spielsucht betont: «Die Spielsperre ist ein wichtiges Mittel.» Bei spielsüchtigen Personen brauche es aber zusätzliche therapeutische Behandlung. «Jede Sucht verläuft in Wellen», erklärt Eidenbenz. «Viele Spieler lassen sich an einem Tiefpunkt sperren, wenn sie ihr Problem einsehen – oft nach einem grossen Verlust.» Danach aber wachse häufig das Verlangen, doch wieder zu zocken. «Wenn man dann keine Unterstützung hat, ist die Gefahr gross, dass man wieder spielt.»
Jeder Spieler hat die Möglichkeit, sich selbst zu sperren. Und laut Gesetz müssen Casinos von sich aus eine Sperre anordnen, wenn sie annehmen müssen, dass ein Gast mehr Verluste macht, als seine finanziellen Verhältnisse zulassen. Das ist aber nur bei 25 Prozent aller Sperren der Fall.
Sperre sollte auch im Ausland gelten
Greifen die Casinos zu wenig strikt durch? «Nein», sagt Marc Friedrich (55), Geschäftsführer des Schweizer Casino Verbands. «Alle Anbieter nehmen das Thema sehr ernst und sprechen auffällige Personen direkt an.» Gemeinsam arbeite man dann darauf hin, dass sich exzessive Spieler selbst sperren. «Das bringt psychologisch mehr, als wenn wir sie mit Zwang sperren. Und es erklärt, warum es statistisch mehr Selbstsperren gibt als angeordnete.»
Dass viele gesperrte Spieler ins Ausland ausweichen, ist dem Verband bekannt. «Das ist ärgerlich – lässt sich aber leider nur schwer verhindern», so Friedrich. Eine Möglichkeit wäre, die Sperren auf das Ausland auszudehnen. «Mit einem Datenaustausch der umliegenden Länder wäre es möglich, dass gesperrte Personen auch dort keinen Zutritt mehr erhalten.»
Diese Forderung ist auch bei der Eidgenössischen Spielbankenkommission ein Thema. «Wir nutzen jeweils die Gelegenheit, an ausländischen Treffen und Tagungen das Schweizer System mit den angeordneten Spielsperren zu präsentieren», sagt Sprecherin Maria Saraceni. «Allerdings ist das Interesse ausländischer Casinos, Spieler aus der Schweiz zu sperren, naturgemäss gering.»
Vor 15 Jahren ging Oliver Müller* (50) mit Freunden aus. «Einer hatte die Idee, wir könnten einmal das Casino besuchen.» Den meisten verleidet die Zockerei bald, sie gehen an die Bar. «Mir hat das Spielen aber sofort zugesagt», so Müller. «Das Adrenalin, wenn man setzt. Und der Kick, wenn man gewinnt.» Heute hat Müller mehrere Hunderttausend Franken Schulden.
Der Geschäftsmann sass bald regelmässig im Casino, vor allem an den Geldspielautomaten. «Ich setzte bis zu 25 Franken pro Einsatz. In wenigen Minuten konnte ich so 1000 Franken verlieren.» Das Problem: «Ständig hatte ich das Gefühl, dass ich da wieder rauskomme. Also spielte ich weiter. Bis ich an einem Abend bis zu 10000 Franken im Minus war.» Im Casino registriert Müller seine Verluste kaum. «Das ist wie in einer anderen Welt, man lässt die Probleme hinter sich.» Erst auf dem Heimweg fragte er sich jeweils: «Was hast du da getan?»
Doch bald sei das Verlangen nach dem Kick wieder da gewesen – und Müller erneut vor einem Automaten. Seiner Partnerin erzählte er nichts von der massiven Sucht. Das Casino zeigte keine Reaktion. «Im Gegenteil, dort wurde ich mit Getränken und einem Chauffeur versorgt, damit ich wiederkomme.» Bald reicht das Geld nicht mehr aus. «Um in meiner Not weiterhin spielen zu können, habe ich Geld von meinem Arbeitgeber veruntreut.»
An Ostern 2016 gesteht sich Müller seine Sucht ein. Er offenbart seine Probleme der Partnerin und dem Arbeitgeber. Heute bereue er sein Verhalten. «Dank der sehr grossen Unterstützung meiner Partnerin bin ich jetzt spielfrei. Den Job habe ich leider verloren.». Gegen Müller läuft ein Verfahren wegen Veruntreuung. Er begab sich in Therapie, er verordnete sich selbst eine Spielsperre. «Ich werde diese einhalten», sagt er.
*Name geändert
Vor 15 Jahren ging Oliver Müller* (50) mit Freunden aus. «Einer hatte die Idee, wir könnten einmal das Casino besuchen.» Den meisten verleidet die Zockerei bald, sie gehen an die Bar. «Mir hat das Spielen aber sofort zugesagt», so Müller. «Das Adrenalin, wenn man setzt. Und der Kick, wenn man gewinnt.» Heute hat Müller mehrere Hunderttausend Franken Schulden.
Der Geschäftsmann sass bald regelmässig im Casino, vor allem an den Geldspielautomaten. «Ich setzte bis zu 25 Franken pro Einsatz. In wenigen Minuten konnte ich so 1000 Franken verlieren.» Das Problem: «Ständig hatte ich das Gefühl, dass ich da wieder rauskomme. Also spielte ich weiter. Bis ich an einem Abend bis zu 10000 Franken im Minus war.» Im Casino registriert Müller seine Verluste kaum. «Das ist wie in einer anderen Welt, man lässt die Probleme hinter sich.» Erst auf dem Heimweg fragte er sich jeweils: «Was hast du da getan?»
Doch bald sei das Verlangen nach dem Kick wieder da gewesen – und Müller erneut vor einem Automaten. Seiner Partnerin erzählte er nichts von der massiven Sucht. Das Casino zeigte keine Reaktion. «Im Gegenteil, dort wurde ich mit Getränken und einem Chauffeur versorgt, damit ich wiederkomme.» Bald reicht das Geld nicht mehr aus. «Um in meiner Not weiterhin spielen zu können, habe ich Geld von meinem Arbeitgeber veruntreut.»
An Ostern 2016 gesteht sich Müller seine Sucht ein. Er offenbart seine Probleme der Partnerin und dem Arbeitgeber. Heute bereue er sein Verhalten. «Dank der sehr grossen Unterstützung meiner Partnerin bin ich jetzt spielfrei. Den Job habe ich leider verloren.». Gegen Müller läuft ein Verfahren wegen Veruntreuung. Er begab sich in Therapie, er verordnete sich selbst eine Spielsperre. «Ich werde diese einhalten», sagt er.
*Name geändert