«So sollte es bleiben»
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Luzern ohne Touristenmassen:«So sollte es bleiben»

Wie in Venedig so in Luzern – Touristenmassen bleiben aus
«So sollte es bleiben»

Seit Beginn der Corona-Krise fehlen in Luzern die grossen Touristengruppen aus dem Ausland. Während die Hotellerie leidet, atmen die Anwohnerinnen und Anwohner auf.
Publiziert: 26.07.2020 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2020 um 20:12 Uhr
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Auf der Kapellbrücke, wo sich Touristinnen und Touristen sonst auf den Füssen stehen, herrscht jetzt gutes Durchkommen.
Foto: Nathalie Taiana
Dana Liechti

Freitagmorgen in Luzern. Wo sich sonst schon früh Reisende aus allen Ländern aufs Schiff zwängen, klammern sich jetzt nur einzelne Familien an die Reling. Auf dem Schwanenplatz, wo Cars normalerweise eine Reisegruppe nach der anderen ausspucken, huschen nur ein paar Spaziergänger vorbei. Auf der Kapellbrücke, wo sich Touristinnen und Touristen sonst auf den ­Füssen stehen, herrscht jetzt gutes Durchkommen. Auch die Sicht aufs Löwendenkmal muss man sich für einmal nicht erkämpfen. Und auf dem Löwenplatz, wo sonst Reisebusse parkieren, stehen jetzt grosse Holzbehälter mit Kräutern, Büschen und jungen Bäumen auf dem Asphalt.

Seit Beginn der Corona-Krise ist Luzern nicht mehr dieselbe Stadt. Die grossen Touristengruppen – vornehmlich aus den USA und dem asiatischen Raum – fallen weg.

Plötzlich so viel Platz

«Es ist um einiges ruhiger geworden», sagt Franziska Trottmann, die gerade über die Kapellbrücke spaziert – etwas, das sie sonst ­selten macht. «Für uns Luzerner ist es im Moment sehr angenehm, das Fehlen der grossen Touristen­gruppen gibt Raum.» Plötzlich geniesse man die Stadt mehr, könne sich auch mal spontan in ein Restaurant ­setzen. Auch Vitantonio Abbracciavento findet das neue Luzern toll. «Die Stadt ist im Moment ohne das Gedränge eine richtige Augenweide», sagt er. «Als Stadtluzerner ist man es nämlich ­genauso wie ein Venezianer leid, im Alltag mit dieser Touristenflut leben zu müssen.»

Dass sie sich ihren täglichen Weg ins Büro normalerweise durch die vielen staunenden und fotogra­fierenden Menschen bahnen muss, stört auch Meli Reber, Marketingleiterin des Luzerner Radios 3fach. «Vor Corona habe ich zum Beispiel die Kapellbrücke wegen der vielen Leute gemieden – obwohl ich schneller im Büro bin, wenn ich sie benutze», sagt sie. Das sei jetzt anders. Und letzte Woche sei sie sogar zum ersten Mal seit langem wieder Schiff gefahren. «Es fühlt sich wie ein Mega-Aufatmen an», sagt sie. «Ich geniesse es, dass wir die Stadt wieder für uns haben.» Aber natürlich sei das eine egoistische Sichtweise: «Mir ist bewusst, dass die Tourismusbranche leidet, darum habe ich fast ein schlechtes Gewissen, so zu denken.»

Das Geschäft leidet

Das Ausbleiben der oft gut betuchten internationalen Gäste wird vor allem rund um den Schwanenplatz sichtbar. Dort fallen die vielen geschlossenen Metalltüren der ­Juweliergeschäfte ins Auge. Für die heisst es: Kurzarbeit statt klingender Kassen. Auch die Hotels klagen über fehlende Gäste.

Immerhin: Seit Ende des Lockdowns kommen sie wieder, die Touristen. Nicht so viele, aber immerhin einige. Nicht aus dem Ausland, sondern aus der Schweiz. Und nicht in grossen Gruppen, sondern en famille oder paarweise.

So wie Martin und Sabrina Schwieckert, die ihre Hochzeits­reise statt wie ursprünglich geplant im Ausland nun in der Schweiz machen. «Ich wollte meinem Mann Luzern zeigen, er war noch nie hier», sagt sie. Er findets toll – vor allem wegen der schönen, jetzt gut zugänglichen Uferpromenaden.

Auch das Ehepaar Klevenz aus Kreuzlingen TG schlendert entspannt über die Kapellbrücke. «Wir sind extra gekommen, weil die grossen Touristenmassen jetzt ausbleiben», sagen sie.

Glace statt Schoggi

In der Max Chocolaterie in der Nähe vom Schwanenplatz mit Blick auf den See hingegen vermisst man die Gäste aus dem Ausland. «Leider essen die Luzerner im Sommer nicht so viel Schoggi», sagt Ver­käuferin Daniela Silva. «Der Renner bei den Städtern ist die haus­gemachte Glace», ergänzt Stefanie Huber vom Marketing. Darum hat das Team kurzfristig einen kleinen Glacestand auf dem Gehweg vor dem Laden aufgestellt.

«Die Schweizer bleiben länger sitzen»

Nur ein paar Hundert Meter ­weiter wartet Servicefachfrau ­Manuela Bogensperger vom Zunfthaus zur Pfistern auf die Mittagsgäste. Das Restaurant am Fluss ­bietet währschafte Schweizer ­Küche an: Fondue, Bratwurst, Rösti. Ein Magnet für Gäste aus dem Ausland. Dass die im Moment ausbleiben, verdirbt Bogensperger aber nicht die Laune. Jetzt bedient sie eben Romands statt Chinesen und Ostschweizer statt Amerikanern. Und sieht statt der leeren Tische lieber die Vorteile darin: «Bei den ausländischen Touristen muss es oft schnell gehen, die Schweizer aber bleiben auch mal länger sitzen, da können wir den schöneren Service machen», sagt sie. Auch bei der Freiluftbar Volière ist man optimistisch: Hier hofft man diese Saison gar auf mehr Kundschaft – weil die Luzernerinnen und Luzerner zu Hause bleiben.

Dieser Tage läuft eben alles ein bisschen anders in der Stadt. So richtig zu stören scheint dies niemanden. Und zumindest Vitantonio Abbracciavento findet: «So sollte es bleiben!»

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