Tödlicher Pfusch im Spital Wil
Warum durfte die Chefärztin bleiben?

Während die Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe im Spital Wil bleiben durfte, sind die anderen Ärzte alle weg.
Publiziert: 17.08.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 15:56 Uhr
Von Fabienne Riklin, Antonia Sell

Mit 39 war Cécile L.* schon Chefärztin. Mit 51 droht ihre Karriere jetzt abrupt zu Ende zu gehen. Weil sie als Ärztin so pfuschte, dass sie zu zwei Jahren Gefängnis bedingt verurteilt wurde.

Im Oktober 2007 war die Bäuerin Julitta B.* (†34) aus Mosnang SG nach einer Totgeburt verblutet (BLICK berichtete).

Noch hält das Spital Wil an ­Cécile L. fest. Noch will man sich nicht von ihr trennen.

Die anderen drei Ärzte, die in das Verfahren verwickelt sind und noch in den nächsten Wochen wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht erscheinen müssen, sind dagegen längst weg. Offiziell haben sie aus freien Stücken gekündigt. Der Anästhesie-Oberarzt, der Anästhesie-Chefarzt und die Gynäkologie-Oberärztin verliessen das Spital in den Jahren 2008 und 2009.

Ist Cécile L. ganz aus dem Schneider? Regierungsrätin Heidi Hanselmann (51, SP) machte gestern in «Schweiz aktuell» eine vieldeutige Bemerkung: Der Verwaltungsrat werde an seiner ordentlichen Sitzung Ende August diskutieren, ob sie in ihrer Tätigkeit bleiben könne.

Cécile L. ist seit 12 Jahren Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe im Spital Wil. Rund 800 Babys kommen in ihrer ­Abteilung jährlich zur Welt. Fast ­jedes vierte St. Galler Baby.

Nach dem Pfusch mit der Bäuerin wurde ihr ein Coach zur Seite gestellt: der ehemalige ­Direktor der Uni-Frauenklinik Zürich, Urs Haller (74). Doch sein Mandat ist jetzt abgelaufen.

Cécile L. ist innerhalb des Spitalbetriebs aber nach wie vor so etwas wie teilbevormundet. Denn nicht sie leitet das Ressort, sondern die Pflegedienstleiterin.

Das Spital attestierte der Chefärztin bisher stets eine hohe fachliche Kompetenz. Das sah der Staatsanwalt anders: ärztliche Inkompetenz, Desorganisation, starres und überholtes Hierarchiedenken warf er ihr im Prozess vor.

Wer ist diese Frau wirklich? 1987 erlangte die Schweizerin das Arztdiplom. 1996 bekam sie den Facharzttitel für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Jungärztin arbeitete in Spitälern in Wolhusen LU, Lugano TI, in Luzern sowie am Inselspital Bern.

Ihr Mann (53) ist ebenfalls Gynäkologe. Und er ist auch im Spital Wil tätig. Als Leitender Arzt ist er hierarchisch seiner Frau unterstellt. Das Ehepaar bewohnt seit 2003 ein Einfamilienhaus in Wil.

Der Tod von Julitta B. geht Cécile L. nahe. Sie hält Kontakt mit Witwer Daniel B.* (40). «Sie meldet sich sporadisch bei mir, fragt, wie es so geht», sagt der Bauer. Aber die Anteilnahme geht nicht so weit, dass sie die Opferfamilie über den Prozess informierte.

Cécile L. war für BLICK gestern nicht erreichbar.

*Namen der Redaktion bekannt

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