Teure Wohnungen macht kreativ
Zu diesen Tricks greifen Wohnungssuchende

Mit dem Homeoffice-Boom kam die Sehnsucht nach einem grösseren Zuhause. Für eine bezahlbare Wohnung greifen nun immer mehr Suchende zu originellen Mitteln.
Publiziert: 31.05.2022 um 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 04.07.2022 um 08:46 Uhr
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In der Stadt Bern sind die Wohnungen knapp.
Foto: Keystone
Camille Kündig

Für Isabelle Schmid hatte der Covid-Lockdown im Frühjahr 2020 unerwartete Folgen. Im April hatte die 34-Jährige mit ihrem Partner eine Wohnung im Berner Schosshalde-Quartier bezogen. «Als die Krise zu Ende ging und der Verkehrspegel sein normales Niveau erreichte, merkten wir: Hier ist es sehr laut!»

Nun möchte das Paar wieder umziehen. Eine ruhige 3,5-Zimmerwohnung in der Stadt Bern oder einer angrenzenden Gemeinde soll es sein, «am liebsten mit Charme und Cheminée».
Doch günstiger Wohnraum ist vor allem in urbanen Gegenden ein knappes Gut, in Bern so etwas wie eine «mission impossible», zumindest auf dem klassischen Weg. Isabelle Schmid: «Vier Monate lang stöberte ich täglich Internet-Annoncen durch, war an Besichtigungen. Aber je schöner und bezahlbarer die Wohnung ist, desto höher die Anzahl Bewerber.»

Sie steckte Flyer in Briefkästen

Um dennoch an ihr Traumheim zu kommen, setzt die Kommunikationsfachfrau auf Kreativität: Auf ihren Jogging- und Velotouren durch ansprechende Quartiere steckt sie Flyer mit Informationen über sich selbst, ihren Freund und ihre Wohnungswünsche in Briefkästen.

Die Nachfrage ist gross. Das Angebot wird kleiner und kleiner. Die Anzahl freier Mietwohnungen in der Schweiz ging 2021 so stark zurück wie zuletzt vor neun Jahren. Unter diesen Umständen werden viele erfinderisch. Laut Mietverbänden setzen sie immer häufiger auf unkonventionelle Mittel.

Inzwischen wird professionell geworben

Flyer wie die von Isabelle Schmid tauchen oft in Wohnquartieren mit guter Infrastruktur auf, dort wo es sich angenehm leben lässt, sagt Sabina Meier, Geschäftsleiterin des Mieterinnen- und Mieterverbands Kanton Bern. «Über eine solche Aktion kann man sich allenfalls vor der Konkurrenz abheben und ein Objekt ergattern, bevor es auf den Markt kommt.»

Walter Angst vom Zürcher Mieterverband pflichtet ihr bei: «Aushänge an der Migros-Pinwand oder an Strassenlaternen mit der Telefonnummer zum Abreissen gab es schon immer. Da auch viele mit Kommunikation vertraute Menschen eine Wohnung suchen, werden inzwischen professionelle Werbemittel eingesetzt.»

Die Zettel finden sich häufig in den in Briefkästen beliebter Stadtteile, sagt Natalie Imboden, Generalsekretärin des Mieterverbands Schweiz. Manche Suchende gehen sogar noch weiter, um sich von der Menge abzuheben. Imboden berichtet von regelrechten Bewerbungsvideos und aufwändigen Drucksachen.

Genfer setzen auf Immobilienvermittler

Westlich der Schweiz zeigt sich ein anderes Phänomen: Immer mehr Genfer setzen auf Immobilienvermittler. Nur: «Einige von ihnen gaukeln den Interessenten nur vor, dass sie ihnen helfen können, leichter an Eigentum zu kommen – gegen Bezahlung», sagt Christian Dandrès vom dortigen Mieterverband.

Mit der Suche per Flyer gibt man ein einiges an Privatsphäre preis. «Bevor man zur Tat schreitet, ist es wichtig, sich zu überlegen, ob und wie sehr man sich ‹outen› will», sagt Walter Angst.
Isabelle Schmid hat bisher keine Rückmeldung erhalten. «Bei der Suche per Flyer darf man nicht pressiert sein, es ist fast die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Aber wenn es klappt, knackt man vielleicht den Jackpot.»

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