Tessiner retten gequälte Tiere
Die Windhunde eroberten ihre Herzen im Sturm

Sie hören auf die Namen Fenixia (3), Poppy (3), Perla (3) und Persia (2). In ihren Heimatländern Spanien und Irland drohte den Galgos und Greyhounds der gewaltsame Tod. Jetzt fanden sie im Tessin ein neues Zuhause.
Publiziert: 13.07.2018 um 17:02 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:41 Uhr
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Tessiner nehmen gequälte Hunde auf
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Tierschützer helfen:Tessiner nehmen gequälte Hunde auf
Myrte Müller

Der kurz geschnittene Rasen hinter der Panoramascheibe interessiert gerade nicht. Es ist Siesta-Zeit. Greyhound Perla (3) streckt ihre schmalen, langen Läufe auf dem Ledersofa aus. Galgo Persia (2) versinkt in einem Plumeau auf dem Orientteppich, kaut genüsslich und geräuschvoll auf ihrem babyblauen Quietschball. Mirna Lo Iacono (43) aus Morbio Inferiore TI sitzt daneben und bittet um ein Kunststück. Pfötchen und Hundekuss gegen Leckerli. Ehemann Leonardo (42) applaudiert. «Es sind unsere Prinzesschen», sagt der Unternehmer. «Wir haben keine Kinder, wir lieben unsere Windhunde über alles.»

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Mirna Lo Iacono mit Galgo Persia auf dem Hunde-Plumeau.
Foto: Remy Steinegger

Vielleicht auch, weil die Geschichte der beiden so traurig ist. Perla wurde in Irland für Rennen gedrillt. Ausser knallhartem Training gab es nur die enge Box. Keine Liebe. Keine netten Worte. Mit 16 Monaten sollte sie getötet werden. Sie hatte nicht das Zeug zum Champion und damit war Perla für ihre Besitzer nutzlos. Dank eines barmherzigen Veterinärs entkommt sie der Todesspritze und findet in Morbio Inferiore eine neue Heimat.

Hunde aus Mailänder Heim geholt 

«Als wir sie zu Beginn berührten, heulte sie auf wie am Spiess. Solch eine Angst hatte sie», sagt Frauchen Mirna Lo Iacono. «Sie wurde nie gestreichelt. Zärtlichkeit musste sie erst lernen.» Persia stammt aus Spanien. Als ihre Mutter trächtig wird, will man sie töten. Sie wird gerettet. Im Heim kommt Persia zur Welt. Mirna und Leonardo Lo Iacono entdecken sie auf der Internetseite des Mailänder Hundeschutzvereins SOS Levrieri. Es ist Liebe auf dem ersten Blick – und die Rettung für den kleinen Galgo. 

Auch Poppy (3) und Fenixia (3) haben es gut. Der Greyhound und der Galgo gehören Pensionär Giorgio Rezzonico (64) und Ehefrau Elena (66). Erfahrene Hundehalter. Momentan tollen ihre Windspiele auf der 4000 Quadratmeter grossen Weide hinter dem Berghaus in Valcolla TI. Der Greyhound Poppy springt vorneweg. Galgo Fenixia zuckt zusammen, schaut sich um und sprintet hinterher. 

Narben erinnern an Poppys schreckliche Vergangenheit

Es sind die Kleinigkeiten, die irritieren. Poppy hat einen gebrochenen Schwanz. Die Peitschenhiebe und Zigarettenverbrennungen haben Narben über dem ganzen fragilen Körper hinterlassen. «Poppy wurde aus einem irischen Nomaden-Camp gerettet», sagt Giorgio Rezzonico. «Was genau sie dort erlebt hat, können wir nur ahnen. Es muss schrecklich gewesen sein.»

Von Fenixias Schicksal weiss der ehemalige Berufsausbildner aus Castagnola TI mehr: «Sie wurde in Spanien für Rennen gedrillt. Man schnallte sie Tag für Tag ans Mühlrad, das sie unter Schlägen antreiben musste.» Immer wieder sei der Hundeschinder bei der Guardia Civil angezeigt worden. Irgendwann wurde Fenixia von Tierschützern befreit – und landete schliesslich in der neuen Tessiner Heimat. 

Galgo Fenixia muss Psychopharmaka nehmen

«Wir haben Fenixia seit sieben Monaten. Sie ist noch immer stark traumatisiert», sagt Elena Rezzonico. Der Galgo, wie in Spanien die Windhunde genannt werden, verkriecht sich. Niemand darf hinter ihm stehen. «Zu Beginn mussten wir das völlig verschreckte Tier immer aus dem Körbchen heben, damit es Gassi geht», sagt Giorgio Rezzonico. «Jetzt bekommt Fenixia Psychopharmaka. Es braucht unendlich viel Geduld.»

Doch diese lohne sich, sagen Giorgio und Elena Rezzonico. «Die Tiere sind so dankbar. Sie sind sanft, nie aggressiv und, wenn sie die Scheu verlieren, unendlich verschmust.» Das Ehepaar ist sich einig: «Wir sind glücklich, dass wir sie retten konnten.»

Das brutale Leben der Galgos und Greyhounds

In der Schweiz gelten Galgos und Greyhounds als elegante Luxushunde. In Spanien und Irland sind sie reine Nutztiere. Erreichen sie in Wettrennen nicht die gesteckten Ziele oder ist die Jagd nach Kaninchen nicht effektiv, müssen die Windhunde sterben. Ein grausamer Tod hat in Spanien Tradition: das «Klavierspielen». Dabei wird der Hund an einem Baum aufgeknöpft, seine Pfoten berühren knapp den Boden und zucken im Todeskampf. Andere Hunde werden erschlagen, ertränkt oder an einen Stein gehängt, bis sie verdursten.

Jährlich sterben allein in Spanien rund 70'000 Galgos. Auch in Irland wird der Rennhund nur wenige Jahre alt. Ist er verbraucht, wird er getötet. Jährlich 10'000 sind es laut Schätzungen. Internationale Tierschutzorganisationen wie die Mailänder SOS Levrieri versuchen die Windhunde zu retten.

In der Schweiz gelten Galgos und Greyhounds als elegante Luxushunde. In Spanien und Irland sind sie reine Nutztiere. Erreichen sie in Wettrennen nicht die gesteckten Ziele oder ist die Jagd nach Kaninchen nicht effektiv, müssen die Windhunde sterben. Ein grausamer Tod hat in Spanien Tradition: das «Klavierspielen». Dabei wird der Hund an einem Baum aufgeknöpft, seine Pfoten berühren knapp den Boden und zucken im Todeskampf. Andere Hunde werden erschlagen, ertränkt oder an einen Stein gehängt, bis sie verdursten.

Jährlich sterben allein in Spanien rund 70'000 Galgos. Auch in Irland wird der Rennhund nur wenige Jahre alt. Ist er verbraucht, wird er getötet. Jährlich 10'000 sind es laut Schätzungen. Internationale Tierschutzorganisationen wie die Mailänder SOS Levrieri versuchen die Windhunde zu retten.

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